Zwischen Neckar und Alb

Die Zeit des Dauerdampfs ist vorbei

Umwelt Die EnBW weiß, dass ihr Heizkraftwerk Altbach-Deizisau in der jetzigen Form kein Zukunftsmodell ist. Konkrete Pläne, wie es weitergeht, lassen aber weiter auf sich warten. Von Andreas Pflüger

Der Betriebsleiter Wolfgang Sailer erklärt anhand des Reliefs im Informationszentrum, was im Kraftwerk wo geschieht - oder eben
Der Betriebsleiter Wolfgang Sailer erklärt anhand des Reliefs im Informationszentrum, was im Kraftwerk wo geschieht - oder eben nicht mehr geschieht. Fotos: Roberto Bulgrin
Die großen Schornsteine des EnBW-Heizkraftwerks am Neckarufer dampfen deutlich seltener als noch vor einigen Jahren.
Die großen Schornsteine des EnBW-Heizkraftwerks am Neckarufer dampfen deutlich seltener als noch vor einigen Jahren.

Die direkten Anwohner, aber auch die etwas entfernteren Beobachter haben es in den vergangenen Jahren immer häufiger festgestellt: Das Heizkraftwerk der Energie Baden-Württemberg (EnBW) am Neckarufer steht nicht mehr unter Dauerdampf.

Block 1 der Anlage dient nur noch als Notfallreserve. 300 Betriebsstunden per anno sind da schon das Äußerste der Gefühle. Die EnBW wollte ihn Ende März sogar endgültig stilllegen. Die Bundesnetzagentur untersagte dies allerdings, weil sie das Kraftwerk bis mindestens zum 31. März 2023 als systemrelevant betrachtet zur Aufrechterhaltung einer kons­tanten Energieversorgung.

Bei Block 2, der ebenfalls mit Steinkohle betrieben wird, aber auch mit Erdgas betrieben werden kann, sieht die Sache anders aus. Zusammen mit insgesamt vier verfügbaren Gasturbinen ist dieser Teil des Kraftwerks nach wie vor im Markt. Mit den rund 5 000 von theoretisch möglichen 8 760 Betriebsstunden pro Jahr kann von einem Dauerläufer aber keineswegs mehr die Rede sein. Zumal die Tendenz auch hier rückläufig ist. Bemerkbar gemacht hat sich außerdem das pandemiebedingte Herunterfahren. „Der Rückgang beim Verbrauch und bei der Leis­tung lag im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bei 15 Prozent“, sagt Wolfgang Sailer, Betriebsleiter des Heizkraftwerks Altbach-Deizisau.

„Sobald die Möglichkeit da ist, in den Markt zu kommen, nutzen wir das. Aber natürlich spüren wir den Vorrang regenerativer Energien“, fährt er fort. Doch schließlich sei dies ja auch der Sinn und Zweck der Energiewende, betont Sailer. „Solange die Erneuerbaren ausreichen, stehen wir still, und wenn es disponible Energie braucht, dann sind wir da, weil die nicht disponiblen eben nicht immer verfügbar sind.“ Demzufolge müsse auch die wirtschaftliche Seite längerfristig gesehen werden, ergänzt der Betriebsleiter. Obwohl Block 2 des Heizkraftwerks Altbach/Deizisau schon seit 1997 in Betrieb sei, gehöre er immer noch zu den modernen und flexiblen seiner Zunft.

In der Tat kann sich ein Brennstoffausnutzungsgrad von rund 70 Prozent bei der Strom- und Fernwärmeerzeugung bis heute ebenso sehen lassen wie die sukzessive verbesserten Emissionswerte. Dazu tragen nicht zuletzt die laufend nachgerüstete Rauchgasreinigung sowie der Hybridkühlturm bei. Auch die schnelle Verfügbarkeit ist ein Plus der Anlage. „Unsere Gasturbinen können bereits zehn Minuten nach Anforderung liefern. Bei Block 2 dauert es im schlechtesten Fall drei Stunden“, betont Wolfgang Sailer.

Wie wichtig diese Flexibilität ist, hat sich nicht zuletzt während der Corona-Krise gezeigt. Normalerweise wird der Komplex über einen Leitstand und durch eine gemeinsame Mannschaft gesteuert. Gleich im März wurden jedoch Teams gebildet und räumlich voneinander getrennt. Zudem konnten zwei ältere Leitstände reaktiviert werden. „Oberste Priorität war es, die Anlagen verfügbar zu halten und den Gesundheitsschutz unserer Leute zu gewährleisten“, sagt der Betriebsleiter. Beides sei gelungen.

Dennoch ist klar, dass die Zukunft des Kraftwerks in dieser Form endlich ist. Den Ausstieg aus der Steinkohle bis spätestens 2038 hat der Bundestag längst beschlossen, auch wenn das entsprechende Gesetz noch auf sich warten lässt. Wie es bis dahin weitergeht, lässt die EnBW aufgrund der noch fehlenden Vorgaben weiterhin offen.

„Wir denken verschiedene Szenarien durch, die von Biomasse über synthetische Gase bis hin zu anderen Energieträgern reichen“, erläutert die EnBW-Pressesprecherin Dagmar Jordan. Eine klare Tendenz gebe es noch nicht. „Das hängt von den Rahmenbedingungen ab, um dann zu sehen, was gemacht werden kann.“ Den „wichtigen Wirtschaftsstandort“ jedenfalls, der gut 700 Meter lang und 300 Meter breit ist, will das Unternehmen jedenfalls halten. Das haben verschiedene Verantwortliche mehrfach versichert.

In den beiden Markungsgemeinden Altbach und Deizisau hört man diese Botschaft selbstverständlich gerne. Obwohl die Verlässlichkeit auf einen steten Geldfluss seitens des früheren Haupt-Gewerbesteuerzahlers nachgelassen hat, wie der Deizisauer Bürgermeister Thomas Mat­rohs und sein Altbacher Kollege Martin Funk unabhängig voneinander klarstellen. „Auch wenn die EnBW nicht mehr die berechenbare Cash-Cow ist, merken wir, dass sie ihre Hausaufgaben macht“, sagt Matrohs. Man partizipiere am Erfolg und appelliere an den Konzern, in die geplanten Entwicklungen regelmäßig involviert zu werden, fügt er hinzu. „Das ist immerhin eine Wahnsinnsfläche, die sehr attraktiv ist.“ Martin Funk verweist ebenfalls auf „die große Bedeutung des Areals“ und fühlt sich bei anstehenden Neuerungen „stets informiert“. Auch wenn mit der EnBW manchmal gestritten werde, sei der Kontakt insgesamt gut.