Zwischen Neckar und Alb
Die Zeit spielt für den Angeklagten

Gericht Ein Versicherungsmakler betrügt eine Kundin um 110 000 Euro – doch er kann nicht mehr bestraft werden.

Nürtingen. Es gibt Fälle, die lassen sogar erfahrene Richterinnen kopfschüttelnd zurück: Über neun Jahre dauerte es, bis eine Kundin eines ehemaligen Versicherungsvertreters bemerkte, dass er sie um ihre Ersparnisse gebracht haben könnte. Erst eine Nachfrage bei der Versicherungsgesellschaft, bei der sie angeblich in einen Fonds investiert hatte, ergab: Ihr Depot gab es schon lange nicht mehr. Das Geld hatte sich der Vertreter bereits 2008 auszahlen lassen, 80 000 Euro plus, nach Angaben der Geschädigten, 30 000 Euro in bar. Damals alles mit dem Einverständnis der Betroffenen.

Ihr Geld sollte ganz diskret über einen Mittelsmann investiert werden. Stattdessen löste der Versicherungsvertreter das von der heute 63-Jährigen angelegte Depot auf und ließ das Geld auf sein Privatkonto überweisen. Das Bargeld der Frau legte er dazu. Seitdem fehlt von den 110 000 Euro jede Spur. „Das Geld sollte für zehn Jahre fest angelegt werden“, sagte die Geschädigte vor Gericht. 2018 hätte der Betrag samt Zinsen wieder ausgezahlt werden sollen.

Sie sei nie auf die Idee gekommen, ihm nicht zu glauben, sagte die Zeugin. Deshalb habe sie auch keinen Verdacht geschöpft, als ihr Anlagedepot 2008 aufgelöst wurde und das Geld auf das Privatkonto ihres Beraters floss. Ein Bekannter des Beraters in Ulm sollte das Geld dann im Ausland investieren.

„Ich habe ihm einfach vertraut“

Doch der vermeintliche Auslandsinvestor ließ sich von der Staatsanwaltschaft nicht ermitteln. Auch er sei auf ihn reingefallen, versuchte sich der Angeklagte, der ansonsten zur Tat schwieg, zu verteidigen. Aber das wollte Richterin Sabine Lieberei nicht gelten lassen.

Die Richterin sprach in Bezug auf die Tat von einer „Riesensauerei“, die allerdings schon verjährt sei. Es sei das erste Mal in ihrer Karriere, dass sie ein Verfahren per Urteil einstellen müsse. Denn dem Angeklagten konnte nicht nachgewiesen werden, dass er schon vor elf Jahren plante, der Geschädigten regelmäßig Kontoauszüge zu schicken. Die fertigte er nachweislich erst ab 2014 an, als die Zeugin anfing ungeduldig zu werden und nachhakte. Die Staatsanwaltschaft forderte für diese drei gefälschten Kontoauszüge eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten zur Bewährung. Außerdem, als Bewährungsauflage, eine Zahlung von 3 000 Euro an die Geschädigte. Richterin Lieberei folgte den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Die Zeugin hat auch auf Schadensersatz am Landgericht geklagt. Es ist fraglich, ob sie Erfolg haben wird. Seine Stelle als Versicherungsmakler hat der Angeklagte bereits vor Jahren verloren. Er arbeitet derzeit in der Logistik eines Unternehmens in der Region.Philip Sandrock