Jeder redet darüber, aber nur die wenigsten nutzen sie: 1090 Pkw mit E-Motoren sind im Kreis Esslingen zurzeit registriert. Hinzu kommen weitere 648 Hybrid-Fahrzeuge. In Relation zur Gesamtzahl der zugelassenen Pkw im Landkreis liegt der Anteil der Fahrzeuge mit alternativem Antrieb bei 0,56 Prozent. Von einer Mobilitätswende zu reden, fällt angesichts solcher Zahlen schwer.
Im Esslinger Landratsamt macht man deshalb Druck. Um zu erfahren, welches Potenzial im Thema E-Mobilität steckt, was in naher Zukunft realistisch sein könnte und was sich ändern muss, um mehr Menschen zum Umstieg zu bewegen, hat der Kreis ein Gesamtkonzept in Auftrag gegeben, das im Sommer vorliegen soll. Erstellt in Zusammenarbeit mit der Mobilitätswerk GmbH, einem Tochterunternehmen der Technischen Universität in Dresden.
Das Ganze wiederum ist Teil des Klimaschutzkonzepts, das der Landkreis bereits seit 2007 verfolgt, mit dem Ziel, den Kohlendioxid-Ausstoß bis 2020 um 35 Prozent zu verringern. Aus eigener Kraft ist das kaum zu schaffen, wie die jüngste Bilanz 2018 zeigt: Da hat der Kreis sein Etappenziel nur deshalb erreicht, weil Ökostrom eingekauft wurde.
Was das Hauptthema im jetzt vorgestellten Konzept zur Elektromobilität sein wird, steht hingegen fest: Die Zahl der Ladestationen im Kreis, an denen Strom getankt werden kann, reicht bei Weitem nicht aus. 247 Ladepunkte an 109 Standorten gibt es offiziell. Eine Zahl, die sich fast täglich ändert, je nachdem, wer sie erhebt. Ein dringend benötigtes Zentralregister ist im Bundesverkehrsministerium zurzeit noch in Arbeit. „Wir sind im Moment damit beschäftigt, die Daten aus drei verschiedenen Quellen zu bündeln, als Steckbrief für die Kommunen“, sagt Landratsamts-Sprecher Peter Keck.
Eine freie Stromtankstelle zu finden ist bisher vor allem für E-Mobilisten ein Problem, die nicht in den eigenen vier Wänden wohnen. „Der Luxus der eigenen Immobilie macht vieles einfacher“, gesteht Marcus Kinkelin. Der Kirchheimer Unternehmer hat sich vor drei Jahren zum Umstieg auf E-Antrieb entschieden, aus ökologischen Gründen, wie er sagt. Inzwischen nutzt die Familie zwei Fahrzeuge. Den Strom liefern Solarmodule auf dem Hausdach. Getankt wird an der Säule vor der Garage. Schlechte Erfahrungen hat der 46-Jährige bisher keine gemacht. „Mit ein klein wenig Planung ist auch das Laden auf Reisen keinerlei Problem“, sagt er. Sein Tesla, den er für längere Strecken nutzt, hat eine Reichweite von 350 Kilometern. Eine App auf dem Handy zeigt ihm an, wo die nächste freie Ladesäule steht. Bereut hat er seine Entscheidung noch nie, zumal es auf Dauer aus seiner Sicht keine Alternative gibt: „Dem E-Antrieb gehört die Zukunft“, das steht für ihn fest.
Bezahlsysteme als Ärgernis
Für Jacob Hoyler hingegen ist das Laden unterwegs ein wiederkehrendes Ärgernis. Als sein alter Passat in die Jahre gekommen war, ließ er sich vom Händler überzeugen und entschied sich für ein Hybrid-Modell. Seitdem lädt auch der 73-Jährige die Batterie meist zu Hause in der eigenen Garage. Das ist bequem und funktioniert. Kompliziert wird es, wenn unterwegs der Strom ausgeht. Warum fast jeder Anbieter auf ein eigenes Bezahlsystem setzt, leuchtet ihm nicht ein. „In jedem Restaurant, an jedem Zigarettenautomaten lässt sich mit EC-Karte bezahlen, nur an der Ladesäule nicht“, ärgert sich der Rentner aus Owen. Inzwischen nutzt er die App der EnBW. Dadurch habe sich zwar manches vereinfacht. Er bleibt jedoch dabei: „Vieles wird komplizierter gemacht, als es tatsächlich nötig wäre.“
Für den Landkreis geht es aber nicht nur um eine alltagstaugliche Infrastruktur für seine Bewohner, sondern auch darum, den eigenen Fuhrpark im Blick zu haben. Bisher legen 72 Fahrzeuge mehr als 1,2 Millionen Kilometer pro Jahr im Dienst zurück - alle mit Verbrennungsmotor. Das soll sich im kommenden Jahr nun ausgerechnet dort ändern, wo reiner E-Antrieb aus technischen Gründen zurzeit gar nicht möglich ist: bei schweren Nutzfahrzeugen. Der Kreis will seine Straßenmeistereien emissionsfrei machen. Bereits 2020 soll das erste Schneeräumfahrzeug auf Brennstoffzellentechnik umgerüstet werden, entsprechende Fördergelder vom Bund vorausgesetzt.
Die Expertise der Dresdner Wissenschaftler beschäftigt sich aber auch mit anderen Fragen: Wie lassen sich Bus und Bahn elektrisch betreiben, wie müssen Bahnhöfe gestaltet sein, um den Umstieg aufs Rad zu erleichtern, welche Netzwerke braucht es? Denn eines ist klar: Das tägliche Verkehrschaos auf den Straßen im Kreis kann kein Elektroauto dieser Welt eindämmen. Dass auch der Schienenverkehr keine Mobilitätsgarantie bietet, zeigte sich gestern: Der Auftritt der Dresdner Delegation im Umweltausschuss des Kreistags fiel flach. Der Anschlusszug in Erfurt hatte Verspätung.