Zwischen Neckar und Alb

Dieser Ort bewahrt Vielfalt und Genuss

Freilichtmuseum In der Ausstellung im neu eröffneten Gartensaal in Beuren geht es um die Bedeutung der Gastronomie sowie alter Obst- und Gemüsesorten für die Region. Von Thomas Zapp

Wilfried und Gabriele Wanke haben sich zu ihrem 43. Hochzeitstag einen Besuch im Freilichtmuseum Beuren gegönnt, um den einen Tag zuvor neu eröffneten Gartensaal zu erleben. „Wir kommen aus Eislingen und kennen Geislingen ganz gut. Den Gartensaal haben wir aber nie bewusst wahrgenommen“, sagt Wilfried Wanke.

Ein Blick auf die historischen Fotos im Eingangsbereich des in Beuren wieder aufgebauten, historischen Saals gibt dem Paar den entscheidenden Hinweis. „Ach an der Türkheimer Straße das sah ja eher aus wie ein Baracke“, sagt Gabriele Wanke spontan. Und in der Tat: Die historischen Aufnahmen zeigen einen eher verwitterten Bau, der mehr oder weniger im Schatten der prächtigen Wilhelmshöhe stand. Dagegen strahlt der komplett „umgezogene“ Originalbau an seinem neuen Standort in frischem Gelb und kommt durch seine exponierte Stellung viel mehr zur Geltung.

Das nun größte Gebäude des Museums soll an seinem neuen Standort nicht nur an die Bedeutung der Gastronomie für die Region erinnern, sondern auch die Vielfalt einheimischer Obst- und Gemüsesorten erlebbar machen. „Altes Gasthaus und alte Sorten, da geht es in beiden Fällen um Genussvielfalt“, sagt Annika Schröpfer. Die Ausstellungsmacherin war für die Konzeption federführend. „Wir haben zehn Sorten ausgewählt, manche von ihnen waren fast verschwunden und sind heute wieder gut gefragt, wie die Alb-Linse“, sagt sie. Auch die Ermstäler Knorpelkirsche, das Filder-Spitzkraut oder die Luikenäpfel können in der zentralen Ausstellung betrachtet, angefasst oder probiert werden. Der Besucher soll dabei ausdrücklich animiert werden, selbst seltene Arten zu züchten oder beim Einkauf darauf zu achten. Viele Sorten sind verschwunden, allein in der NS-Zeit fast 90 Prozent. „Weil man damals mit Sortenbereinigungen nur die ertragreichsten für das Volk haben wollte“, sagt Annika Schröpfer. So ist auch im Zug der Industrialisierung der langstielige Weizen verschwunden, weil er schwerer maschinell zu verarbeiten ist. Die Sortenvielfalt sei aber wichtig. „Wir brauchen in der Zukunft Pflanzen mit Eigenschaften, die wir jetzt noch nicht kennen“, sagt sie. Da geht es zum Beispiel um Bäume, die besser für höhere Temperaturen geeignet sind. Auch gesundheitliche Aspekte spielen eine Rolle.

Museumsgärten wie in Beuren haben daher auch eine wichtige Funktion für den Sortenerhalt. „On-Farming“ nennt Annika Schröpfer das, also nicht im Reagenzglas den Genpool bewahren, sondern im Beet „lebendig“ halten. „Biodiversität ist genauso wichtig wie Klimaschutz“, ist sie überzeugt. Und damit die auch Spaß macht, kann man in der modernen Küche des alten Gartensaals lernen, welche Gerichte mit den alten Sorten besonders gut gelingen. An diesem Tag wird es selbstgemachter Ketchup sein.

Die Alb-Linsen kann man ertasten (oben), die alte Tanzatmosphäre des ehemaligen Gartensaals „erhören“ (rechts). Wo früher gegess
Die Alb-Linsen kann man ertasten (oben), die alte Tanzatmosphäre des ehemaligen Gartensaals „erhören“ (rechts). Wo früher gegessen und geschwoft wurde, gibt es heute Informationen zur Artenvielfalt (oben). Fotos: Jean-Luc Jacques