Zwischen Neckar und Alb

Draußen gibt‘s nur Spiele von Deutschland

WM Die Stadt Nürtingen hat beschlossen, dass nur Begegnungen der DFB-Elf im Außenbereich von Gaststätten gezeigt werden dürfen. Politiker und Bürger protestieren.

König Fußball regiert derzeit die Gaststätten und Innenstädte. In Kirchheim (Bild) war das bisher kein Problem, in Nürtingen hab
König Fußball regiert derzeit die Gaststätten und Innenstädte. In Kirchheim (Bild) war das bisher kein Problem, in Nürtingen haben sich Anwohner beschwert.Foto: Markus Brändli

Dass in der Nürtinger Freiluftgastronomie nur die WM-Vorrundenspiele mit deutscher Beteiligung gezeigt werden dürfen, sorgte Anfang der Woche unter den betroffenen Gastronomen für Aufregung. Und genauso überraschend wie die Wirte traf die Allgemeinverfügung des Nürtinger Ordnungsamtes auch die Stadträte. „Wir bemühen uns seit Jahren, die Innenstadt zu beleben, und wenn es mal ein Event gibt, mit dem man Besucher in die Stadt holen kann, dann schiebt die Verwaltung einen Riegel vor“, sagt der Fraktionsvorsitzende der Liberalen-Aktiven Bürger-FWV. „Die Spiele sind um 22 Uhr beendet und die WM ist auf vier Wochen begrenzt, wo liegt also das Problem?“, fragt sich Hermann Quast.

Die Stadt Nürtingen begründet ihre Entscheidung damit, dass sich in letzter Zeit vermehrt Anwohner über den Lärm in der Stadt beschwert hatten - auch beim Regierungspräsidium. „Die Verordnung ging ganz klar an uns vorbei“, bedauert Fußballfan Quast, der sich fragt, warum sich die Nürtinger Stadtverwaltung in Sachen WM nicht mit anderen Kommunen abgestimmt hat.

Ähnlich überrascht zeigte sich der CDU-Fraktionsvorsitzende Matthias Hiller: „Wir haben keinerlei Verständnis für die Entscheidung der Stadtverwaltung.“ Hiller hatte sich mehr Fingerspitzengefühl vonseiten der Stadt gewünscht: „Ich dachte, man hätte aus der Plastik-WM 2010 gelernt.“ Damals forderte die Stadt von den Gastronomen, Biergärten und Terrassen einzuzäunen und nur Mehrweg-Plastik-Geschirr zu verwenden. Die strengen Vorschriften sorgten für Empörung bei Wirten und Bürgern. In einem Schreiben an Oberbürgermeister Otmar Heirich bat die CDU-Fraktion, die Allgemeinverfügung zu lockern.

Eine „weniger restriktive Handhabung“ forderte auch SPD-Gemeinderat Michael Medla in einem Schreiben an den OB. Die Einwohner in der Innenstadt könnten eine etwas lautere Geräuschkulisse durchaus in Kauf nehmen: „Wenn man sich für ein Leben auf dem Innenstadthügel entscheidet, sollte man entsprechende Mehrbelastungen auf sich nehmen.“

Auch bei der NT14-Fraktion begab man sich auf die Suche nach dem Sinn einer solchen Regelung: „Vielleicht wollte die Stadt erreichen, dass sich die Gemeinderäte ein einziges Mal alle einig sind“, spekuliert Fraktionsvorsitzende Julia Rieger mit einem ironischen Unterton. Otto Unger, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, hofft auf Einsicht der Stadt: „Noch kann man die Entscheidung revidieren.“

Die Stadt bleibt hart - vielleicht

Liest man das Antwortschreiben der Stadt, fällt es einem schwer, an einen Rückzug der Verwaltung zu glauben. Bürgermeisterin Annette Bürkner schreibt: „Wir können den Unmut darüber, dass nicht alle Spiele gezeigt werden können, nachvollziehen“, heißt es hier. Man müsse jedoch die Interessen aller Bürger im Hinblick auf den Lärmschutz im Blick haben. Zahlreiche Lärmbeschwerden in den letzten zwei Jahren, „bis hin zur Anzeige beim Regierungspräsidium Stuttgart“, habe man in den Abwägungsprozess einfließen lassen.

„Wir müssen unterscheiden zwischen privatem Raum und öffentlichem Raum“, sagt Annette Bürkner. Bei 48 WM-Spielen würden an 15 Tagen hintereinander von 14 bis 21.45 Uhr Spiele gezeigt werden. Man sei zu dem Ergebnis gekommen, dass man nur die Deutschland-Spiele zeigt und damit „den Interessen der Zuschauer wie auch der Gastwirte Rechnung trägt“. Auf die Frage, ob man angesichts des Gegenwindes eine Lockerung der Verordnung in Erwägung zieht, sagte Bürgermeisterin Bürkner, dass man an der Verordnung festhalten wolle.

Jetzt scheint man aber doch auf die Gastronomen zugehen zu wollen. „Ich verstehe die Welt nicht mehr“, sagte Parvis Ghandchi von der „Schaltbar“. Am Donnerstag habe man ihm noch zu verstehen gegeben, dass er nur WM-Spiele mit deutscher Beteiligung draußen zeigen darf. „Heute war ein Mitarbeiter der Stadt hier und hat den Läden am Schlachthof die Erlaubnis gegeben, alle Spiele zu zeigen.“nz