Zwischen Neckar und Alb

Durch Ehrlichkeit wieder die Menschen erreichen

Politik Der SPD-Promi Klaus Wowereit kommt zum „Gipfeltreffen“ auf den Hohenneuffen.

Klaus Wowereit mit Nils Schmid auf dem Hohenneuffen.Foto: Bail
Klaus Wowereit mit Nils Schmid auf dem Hohenneuffen. Foto: Bail

Neuffen. Den steilen Anstieg überwunden, belohnt ein grandioser Weitblick. Ein Weitblick, den das Fritz-Erler-Forum Baden-Württemberg für sein neues Seminar-Format proklamiert. Unter dem Titel „Gipfeltreffen Hohenneuffen: Politik mit Weitblick“ will das Landesbüro der Friedrich-Ebert-Stiftung künftig einmal im Jahr mit kommunalpolitisch engagierten Menschen abseits der Alltagshektik grundsätzliche Fragen diskutieren. 60 Teilnehmer kamen zur Premiere, die unter dem Motto stand: „Wie kann Politik die Menschen (wieder) erreichen?“ Zum Abschluss im Burgrestaurant wurde mit einem prominenten Polit-Redner getrumpft. Klaus Wowereit, ehemaliger regierender Bürgermeister von Berlin und erfahren im Umgang mit Bürgern, hielt einen Vortrag und stellte sich beim „Dinner-Speech“ mit Schweinelendchen an Champignonsoße den Fragen des Plenums. Im Koffer aus Berlin war selbstverständlich die neueste Publikation des ehemaligen stellvertretenden SPD-Vorsitzenden, die ihm wieder die Türen der Talkshows öffnet. Der Titel: „Sexy, aber nicht mehr so arm: Mein Berlin“ zielt auf einen seiner coolsten Sprüche. Wo Klaus Wowereit auftaucht, weht immer ein Hauch von Homestory. Seine Verbundenheit mit dem Ländle sei häuslich bedingt, ließ er die Zuhörer wissen. „Mein lieber Jörn“ (gemeint ist sein Lebensgefährte Jörn Kubicki) sei bei Heilbronn familiär verwurzelt. Ansprechend gebräunt im blauen Anzug mit blütenweißem Hemd und farblich harmonierenden Haaren ließ er sich bereitwillig mit Teilnehmern ablichten, charmantes Wowi-Lächeln obligatorisch. Zwischen Hauptspeise und Dessert schilderte Wowereit seine Erfahrungen als Verwaltungschef einer Metropole und teilte seine Überlegungen mit zum bedingungslosen Grundeinkommen, wie es DM-Gründer Götz Werner fordert, zum Pflegenotstand, zur Globalisierung. Ein verbaler Parforceritt durch Themen wie die Gefahr sozialer Netzwerke, Altersarmut, Flüchtlinge, Erdogan, Putin und Trump. Manches, was er sagte, soll Anstoß für Bürger sein, sich einzubringen. „Aber nicht erst wenn Bagger anrollen.“ Gerade deshalb sei Wowereit eingeladen worden, betonte der Nürtinger SPD-Bundestagabgeordnete Nils Schmid, der den Abend moderierte. Politik müsse Orientierung geben. Führung wäre jetzt besonders wichtig, unterstrich Wowereit. Nur leider sei das Image von Parteien und Politiker derzeit desaströs. Deshalb gelte es, die Glaubwürdigkeit von Politikern wieder herzustellen - durch Ehrlichkeit. Es sei die Verantwortung des Staates, Menschen wahrzunehmen, insbesondere Menschen, die etwas fürs Gemeinwohl tun. Ehrenamt sei eine starke Partnerschaft auf kommunaler Ebene. Die Politik habe Bürgerbegehren eingesehen. Bürger müssten aber auch akzeptieren, wenn sie verloren hätten, erklärte er als erklärter Verfechter der repräsentativen Demokratie: „Einer muss Verantwortung tragen.“ Er räumte ein, dass es schwierig sei, Persönlichkeiten zu finden, die überzeugen. Sein Credo: „Politik braucht die Beratung der Bürger.“ Man dürfe sich nicht in eine Ecke zurückziehen und sagen „man kann eh nichts ändern“. Seine Erfahrung: „Doch, man kann.“ Das kommt mit Nachdruck und klang so, als habe man es so ähnlich schon mal gehört. Petra Bail