Zwischen Neckar und Alb

Eichenlaub für Brüllaffe und Co.

Ein Ernteteam der Wilhelma gewinnt im Forstrevier Sauhag bei Neuhausen Winterfutter für die Zootiere

Wenn die Blätter sämtlicher Laubbäume im Wald voll ausgetrieben haben, aber doch noch jung und zart sind, beginnt im Forstrevier Sauhag im Landkreis Esslingen eine ungewöhnliche Ernte: Rund zwei bis drei Wochen lang ist im Juni ein Ernteteam der Wilhelma im Wald, um Blätter als Winterfutter für die Zootiere zu gewinnen.

Für Revierleiter Hartmut Scheuter (rechts) ist die Kooperation zwischen Forstamt und Wilhelma eine Win-Win-Situation. Stephan Pa
Für Revierleiter Hartmut Scheuter (rechts) ist die Kooperation zwischen Forstamt und Wilhelma eine Win-Win-Situation. Stephan Paspalaris (links) und Christina Winkler leiten seit vielen Jahren den Arbeitseinsatz des Wilhelma-Laubtrupps im Walddistrikt Sauhag bei Neuhausen. la

Neuhausen. Forstrevierleiter Hartmut Scheuter lobt die gute Zusammenarbeit mit dem Wilhelma-Laubtrupp, der in diesen Tagen wieder in seinem Revier ausschwärmt. Die Kooperation zwischen der Wilhelma und dem Forstrevier Sauhag hat eine lange Tradition. So ist Zootierpflegerin Christina Winkler seit 26 Jahren mit von der Partie. Zusammen mit ihrem Kollegen Stephan Paspalaris gehört sie zum festen Kern des Ernteteams, das meist aus fünf bis sechs Personen besteht.

Zwei Personen arbeiten mit der Motorsäge in der Fläche, die anderen ziehen die Äste aus der Fläche heraus und zupfen die Blätter ab. Diese sind aber nicht zum sofortigen Verzehr für die Zootiere vorgesehen. Vielmehr wird im Juni der gesamte Winterfuttervorrat für den Stuttgarter Zoo gewonnen. Dazu werden die Blätter in Plastikbeuteln zu je zwei Kilogramm verpackt und am Abend bei minus 20  Grad schockgefrostet.

Wegen seiner besonderen Fülle an verschiedenen Baumarten ist der Staatswalddistrikt Sauhag bei Neuhausen für die Blatternte der Wilhelma ideal. Gesucht sind vor allem die Blätter von Eiche, Bergahorn und Linde. Die Blätter dieser Baumarten lassen sich sehr gut wieder auftauen und werden während der Wintermonate an Brüll- und Menschenaffen sowie an Okapis und Giraffen verfüttert. Brüllaffen sind sogar zwingend auf Eichenlaub angewiesen. Überhaupt geht die Eichenlaubernte immer vor, denn die Eichenblätter dürfen auf keinen Fall von den Pilzsporen des Mehltaus befallen sein. Insgesamt werden 1 800 Beutel gepackt – Tendenz steigend. Wenn das neue Elefantenhaus fertig gestellt sein wird, und weitere Dickhäuter dort eine Heimat gefunden haben, wird die Blatternte nochmals gesteigert werden müssen. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren reichten noch 1 100 Beutel als Winterfutter aus dem Sauhag aus.

Nicht in allen Forstrevieren ist der Wilhelma-Laubtrupp so willkommen, denn die Arbeitsvorbereitung ist für den Förster aufwendiger. So muss beispielsweise jedes zu entnehmende Bäumchen im Vorfeld einzeln gekennzeichnet werden, damit die Zoomitarbeiter wissen, welche Pflanzen gefördert und welchen entnommen werden sollen. Erfahrene Waldarbeiter entscheiden dies selbst. Trotzdem ist die Zusammenarbeit zwischen Wilhelma und Forstrevier für Revierleiter Hartmut Scheuter „eine typische Win-Win-Situation.“ Schließlich fallen für die vom Laubtrupp gepflegten Flächen keinerlei Lohnkosten für den Forstbetrieb an. Im Gegenzug bekommt die Wilhelma das Laub kostenlos. Außerdem hat Förster Hartmut Scheuter den Kontakt mit den Zootierpflegern als interessante Bereicherung des Revieralltags schätzen gelernt.

Für kurze Zeit auf den Prüfstand kam die Blatternte im Sauhag im vergangenen Jahr, nachdem der Staatswald nach den Richtlinien von FSC (Forest Stewardship Council) zertifiziert worden war. Dieses Gütesiegel sieht vor, dass Astmaterial, dessen Durchmesser geringer als sieben Zentimeter ist, sowie Blätter im Wald verbleiben müssen. Nach kurzer Prüfung gab das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz jedoch wieder grünes Licht für die Blatternte, schließlich stelle der Betrieb eines Zoos einen wichtigen Beitrag zur Umweltbildung dar.

So steht auch der nächsten Ernte von Buchenlaub im Hochsommer nichts mehr im Wege. Dann rücken die Mitarbeiter des Elefantenhauses aus, um für die Dickhäuter entlang der Waldwege im Sauhag frisches Sommerfutter zu gewinnen.pm