Zwischen Neckar und Alb

Ein luftiger Arbeitsplatz mit gigantischer Aussicht

Sicherheit Bergsteiger aus Österreich sichern die Felswand über der Neuffener Steige. Schon nächste Woche soll die Strecke wieder befahrbar sein. Von Volker Haußmann

Ein nicht alltäglicher Anblick: Bergsteiger hängen derzeit an den senkrecht abfallenden Kalkfelsen hoch über der Neuffener Steige und lösen dort mit Brechstangen locker gewordene Felsbrocken aus der Wand. Die porös gewordenen Felsen werden mit Netzen und Felsankern stabilisiert. Hell leuchten die bis zu 20 Meter hohen Kalkfelsen, die sich gut hundert Meter unterhalb des oberen Ausgangs der Neuffener Steige befinden, in der Mittagssonne. Die rund 50 Meter lange, senkrecht abfallende Wand macht einen stabilen Eindruck. „Die Wand war bisher eigentlich nicht auffällig“, sagt denn auch Klaus Langer, Leiter der für den Albaufstieg zuständigen Straßenmeisterei Kirchheim. Zwar seien - wie an anderen Stellen entlang der Steige auch - immer mal wieder einzelne Steine aus der Wand gefallen. An dieser Stelle war das aber kein Problem. Ein ummauerter Fangraum verhinderte, dass die Steine auf die unten verlaufende Neuffener Steige kullern. Spezielle Sicherungsmaßnahmen wurden bisher nicht vorgenommen. Ein Felssturz im November letzten Jahres machte dann aber deutlich, dass die Wand keineswegs so stabil ist, wie man bisher dachte. „Zehn Kubikmeter Gestein, etwa 25 Tonnen, haben sich einfach aus der Wand gelöst“, erinnert sich Langer.

„Eine extrem kritische Stelle“

Bei einer eingehenden Untersuchung der Felswand zeigte sich, dass es hier mit einer Felsberäumung, wie die Straßenmeisterei sie üblicherweise selber macht, nicht getan sein würde. „Das ist eine extrem kritische Stelle“, erklärt Klaus Langer. Ein Geologe aus Freiburg, der die Wand untersucht hat, stellte dann fest, dass der Fels durch natürliche Erosion verwittert ist. „Wurzeldruck, Frost und Wasser haben dem Kalkstein, der nicht wetterbeständig ist, zugesetzt“, so Langer. Der Fachmann vom Landesamt für Geologie in Freiburg hat nach der Bestandsaufnahme die Felssicherungsmaßnahmen am Computer berechnet und simuliert. Am Mittwoch hat sich der Geologe vor Ort abgeseilt und markiert, an welchen Stellen welche Sicherungsmaßnahmen notwendig sind.

An zwei Stellen wird die Wand mit extrem widerstandsfähigen Netzen, sogenannten Spidernetzen, gesichert. Diese überspannen jeweils etwa 50 Quadratmeter Fels und werden mit mehreren drei Meter langen Felsnägeln befestigt. An einer anderen Stelle wird ein locker gewordener, vorgelagerter Fels durch mehrere acht Meter lange Felsanker mit dem dahinter befindlichen Mutterfels fest verbunden. Überdies wird an der gesamten Felswand in mühseliger Handarbeit das lockere Gestein ausgebrochen.

Achtung, Fledermaus

Wegen des Naturschutzes werde die Wand so schonend wie möglich gesichert, erklärt Klaus Langer. Auch an die Fledermäuse wurde gedacht: Vorsorglich wurden Ritzen im Fels mit Planen abgedeckt, damit sich dort keine Tiere einnisten. Ursprünglich sei zur Stabilisierung von Felsüberhängen auch das Aufbringen von Spritzbeton angedacht gewesen. Letztlich habe aber darauf verzichtet werden können.

Ausgeführt werden die schwierigen Arbeiten am senkrechten Fels, die neben der Felsberäumung am Seil auch das Bohren der Löcher für Felsnägel und Felsanker umfasst, von der Firma Kaim, einer Spezialfirma, die in Wien ihren Firmensitz hat. Die vier in der Wand arbeitenden Alpinisten und ihr Vorarbeiter kommen aus Österreich.

Zwar sitzt das Gestein zum großen Teil so locker, dass selbst größere Brocken per Handarbeit und mit Brechstangen gelockert werden können. Allerdings müssen die Bergsteiger aufpassen, dass sie die fallenden Steine nicht auf den Fuß bekommen. Auch die Bohrarbeiten in luftiger Höhe haben es in sich. Bis zu sieben Meter lange Löcher müssen in den Fels getrieben werden. Eine kräftezehrende und staubige Angelegenheit.

Steige nächste Woche wieder frei

Wenn die Arbeiten abgeschlossen sind, wird die Straßenmeisterei 150 bis 200 Tonnen Gestein abgefahren haben, schätzt Langer. Der Abraum wird in den Steinbruch Bauer gebracht. Der Kostenaufwand für die gesamte Maßnahme ist auf 50 000 Euro veranschlagt. „Wenn alles gut läuft, wird die Neuffener Steige Ende nächster Woche wieder für den Verkehr freigegeben“, sagt Langer. Die bis 1. September vorgesehene Vollsperrung wird auch für andere Unterhaltungsarbeiten genutzt. Entlang der L 1250 wird gemäht und gebaggert, es werden Bäume gefällt, und im Straßenbelag werden Risse vergossen.