Zwischen Neckar und Alb

Ein Mann, zuständig für elf Millionen

Behörde Der Plochinger Volker Schindler ist der erste Bürgerbeauftragte in Baden-Württemberg. Mehr sollen folgen.

Volker Schindler schlichtet Konflikte.Foto: Roberto Bulgrin
Volker Schindler schlichtet Konflikte.Foto: Roberto Bulgrin

Plochingen/Stuttgart. Ein Mann, zuständig für fast elf Millionen Baden-Württemberger: Volker Schindler hat im Februar eine große Aufgabe übernommen. Der Plochinger ist der erste vom Landtag gewählte Bürgerbeauftragte im Südwesten. Wer Ärger mit einer Landesbehörde hat, kann sich an ihn wenden - und Volker Schindler versucht zu vermitteln.

Trotz der vielen Telefonate, die derweil auf seinem Anrufbeantworter im Stuttgarter Büro stranden, strahlt Schindler Ruhe beim Interview in seinem Zuhause aus. Der 63-Jährige war vorher Vizepolizeipräsident in Aalen. Er hatte erst kurz vor der Wahl im Dezember 2016 seinen Ruhestand angetreten. Sein Name war den Grünen, die das Vorschlagsrecht für die Besetzung hatten, im Zusammenhang mit der Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Ellwangen aufgefallen, wo er sich bei den Vorbereitungen als Schlichter hervorgetan hatte. Er habe überlegt, ob er in Pension gehen und das Leben genießen solle, sagt Schindler. Am Ende hat für ihn der große Reiz gezogen, „eine neue Behörde aufzubauen“.

Der 63-Jährige ist in Wernau aufgewachsen und hat das Plochinger Gymnasium besucht. Seine erste Arbeitsstelle war das Plochinger Polizeirevier. Seit den 90er-Jahren wohnt er mit seiner Frau wieder in Plochingen.

Bislang sind etwa 140 Anfragen auf Schindlers Schreibtisch gelandet. Die Mehrzahl sei bereits bearbeitet. Die Bandbreite reiche von Kleinigkeiten, bei denen zwei Anrufe zur Klärung genügten, bis hin zu Bürgerinitiativen, bei denen intensivere Recherche nötig sei. Wichtig ist ihm seine Unabhängigkeit von Parteien und Behörden. Er sei nur dem Landtag gegenüber rechenschaftspflichtig. „Am Anfang musste ich mich zwingen, nicht spontan zu eigenen Lösungen zu kommen“, gibt Schindler zu. Etwa wenn er aus Erfahrung eigene Schlüsse über eine Unfallaufnahme zieht - und dennoch die zuständige Dienststelle befragt. „Ich muss beide Seiten hören.“

Es gibt auch Themen, bei denen dem ehemaligen Polizisten das Fachwissen fehlt: bei Baurecht oder Sozialhilfe beispielsweise. Dann kann er die Landesbehörden um Amtshilfe bitten. Dennoch: Auch der Bürgerbeauftragte kann nicht immer das erreichen, was der Bittsteller sich wünscht. So nennt er das Beispiel einer Frau, die durch eine Vergewaltigung in ihrer Kindheit psychisch stark belastet ist und für die strafrechtliche Verfolgung kämpft, die nicht möglich ist. In solchen Fällen erklärt Schindler Betroffenen ausführlich, warum sich ein Problem nicht auflöst.

One-Man-Show bald vorbei

In Einzelfällen habe er sich gewundert, wie wenig vonseiten der Behörde mit dem Betroffenen gesprochen worden sei. „Man hätte mit etwas mehr Erklärung den Konflikt nicht entstehen lassen“, erzählt er. Es gibt Fälle, die Volker Schindler nicht annehmen kann: Etwa wenn bereits ein Petitions- oder Gerichtsverfahren zur Sache läuft oder das Land nicht zuständig ist. Teilweise versucht der Bürgerbeauftragte dennoch weiterzuhelfen, etwa durch einen Anruf beim Bürgermeister, wenn eine alte Frau im Clinch mit ihrem lokalen Gasanbieter ist und im Winter ohne Heizung dasitzt. „Das sind Schicksale, wo man nicht sagen kann: Ich bin nicht zuständig.“ Manchmal kann Schindler auch besser helfen, indem er statt einer Behörde andere Stellen ins Boot holt. Das sei sein Vorteil gegenüber dem Petitionsausschuss, den er ergänzen soll: „Ich muss mich nicht an irgendeinen Dienstweg halten.“

Zum ersten Juli erhält er Unterstützung durch einen Mitarbeiter, im August folgen zwei weitere. Wie die Beispiele in Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen zeigen, wo es bereits parlamentarisch gewählte Bürgerbeauftragte gibt, wird das wohl auf Dauer nicht ausreichen. Greta Gramberg