Esslingen. Ein Leben ohne Dach über dem Kopf ist bereits bei milden Temperaturen prekär, in frostigen Nächten kann es den Tod bedeuten. Doch nicht alle obdachlosen Menschen kommen derzeit in einer Notunterkunft unter. Um die schlimmsten Notlagen etwas abzumildern, ist das DRK Esslingen mehrmals pro Woche mit einem Kältebus unterwegs. Zwölf Obdachlose treffen die Helfer regelmäßig auf ihren nächtlichen Touren, versorgen sie mit heißen Getränken und bei Bedarf mit Schlafsäcken, Decken oder auch einfacher medizinischer Hilfe.
Sie schlafen in Parkhäusern, dösen in Bankfilialen oder versuchen, im Gebüsch von Parks die Frostnächte zu überstehen. „Obdachlose sind tagsüber meist einigermaßen versorgt, aber zurzeit ist es nachts äußerst schwierig“, sagt Kay Müller, Initiator des Esslinger Kältebusses und Ehrenamtlicher beim DRK-Ortsverein Esslingen.
Müller kennt das Angebot, obdachlose Menschen in kalten Winternächten ambulant mit dem Nötigsten zu versorgen, aus seiner Arbeit als Notfallsanitäter in Stuttgart. In Esslingen habe in der Vergangenheit der Erfrierungsschutz der Evangelischen Gesellschaft für die Hilfe ausgereicht. Doch aufgrund der Corona-Pandemie kann dort derzeit nur ein Drittel der Betten belegt werden. „Das Thema Kältebus wurde plötzlich auch bei uns aktuell“, berichtet Müller.
Wie Stefanie Schweickhardt, Vorstandsmitglied im DRK-Ortsverein Esslingen, erzählt, wurde nach einem Spendenaufruf ein Kleinbus mit Material für eine Grundversorgung Hilfsbedürftiger ausgestattet. Frostsichere Schlafsäcke, Isomatten, Wolldecken, Schals und Mützen, Schutzmasken, Hygiene- und Erste-Hilfe-Sets liegen im Bus griffbereit, dazu haben die Helfer Thermoskannen mit Heißgetränken dabei - „das Wichtigste für etwas Wärme in der Nacht eben“, sagt Müller. Rund 30 Ehrenamtliche, allesamt ausgebildete Sanitäter, teilen sich die Touren durch die Esslinger Frostnächte, fahren bekannte Aufenthaltsorte an oder gehen auch Hinweisen aus der Bevölkerung oder Mitarbeitern des Ordnungsamts nach. „Die Zusammenarbeit ist ganz hervorragend“, berichtet der Initiator Kay Müller und betont, dass es in Esslingen seitens der Behörden keine Vertreibung obdachloser Menschen gebe.
Zwölf Obdachlose treffen die Helfer regelmäßig an, doch Müller schätzt, dass etwa doppelt so viele versuchen, nachts draußen über die Runden zu kommen. Je nach Bedarf verteilen die Helfer wärmendes Material, schenken Tee und Kaffee aus, und haben ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Leute. „Wir treffen dabei die unterschiedlichsten Menschen an. Leute mit Drogen- oder Alkoholproblemen, Leute, die wegen Schicksalsschlägen auf der Straße gelandet sind, aber auch Leute, die ganz bewusst auf der Straße leben und nicht in eine Unterkunft wollen“, berichtet Müller. Die meisten von ihnen hätten zunächst allerdings nur wenig Vertrauen zu Fremden. „Wenn die Menschen Hilfe annehmen, freuen wir uns, wenn sie keine haben wollen, akzeptieren wir das auch“, beschreiben Schweickhardt und Müller ihre Vorgehensweise bei ihren Touren. Peter Stotz