Man muss kein alter Hase sein, um zu wissen, wie man dicke Bretter bohrt. Ins Wohngebiet auf dem Esslinger Egert fährt seit Februar ein Bus: die Linie 103, die eine Öko-Siedlung mit Passivhäusern ans Nahverkehrsnetz anbindet. Das ergibt Sinn. Zu verdanken ist dies einer Initiative des Jugendgemeinderats - 13 Jahre nachdem auf dem Egert die ersten Bewohner eingezogen sind. Mark Wendt war einer der Initiatoren, die für die Buslinie gekämpft haben. Zwei Jahre lang war der 19-Jährige stellvertretender Vorsitzender im Esslinger Jugendgemeinderat. Jetzt gehört er zu denen, die sich dafür starkmachen, dass Jugendliche eigene Schwerpunkte in der Kommunalpolitik setzen - nicht nur in Esslingen, sondern kreisweit.
Warum setzt man sich Ziele, wenn man nicht den Mumm hat, daraus Taten folgen zu lassen? Diese Frage stellen sich immer mehr Jugendliche, nicht erst seit ein 16-jähriges Mädchen aus Schweden den Mächtigen der Welt beim UN-Klimagipfel in New York die Leviten las. Es geht auch, aber nicht nur um lokale Klimapolitik. Mark Wendt berichtet von Jubelstürmen unter Mitstreitern, die losgebrochen seien, als klar war, dass sich die Kreisräte in Esslingen auf ein neues Format einlassen würden. Mehr politisches Mitspracherecht für Jugendliche, ein klares Signal.
Drei Jahre nach der ersten von zwei Jugendkonferenzen im Kreis wird es 2020 erstmals eine feste Form der Jugendbeteiligung geben. Einen sogenannten Initiativkreis, der am 11. Februar zum ersten Mal im Esslinger Landratsamt tagen wird und an dem sich Jugendliche aus dem ganzen Kreis beteiligen können. Angestoßen von den vier Jugendgemeinderäten aus Esslingen, Filderstadt, Leinfelden-Echterdingen und Nürtingen, begleitet von Mitgliedern des Kreis-Jugendreferats und von Initiativen wie BePart in der Kirchheimer Linde. Vom Landkreis unterstützt wird das auf zunächst zwei Jahre angelegte Modell nicht nur ideell, sondern mit 15 000 Euro pro Jahr aus der Haushaltskasse. Das ist nicht nur neu, das ist in Baden-Württemberg bisher beispiellos.
Die Idee: Was dem Initiativkreis an Vorschlägen und konkreten Anträgen entspringt, soll in einem Jugendforum breiter diskutiert werden und am Ende in den zuständigen Ausschüssen des Kreistags landen. Dort erhalten Jugendvertreter Rederecht und können ihre Anliegen begründen. Neu ist auch, dass der Initiativkreis allen offen steht. Dadurch erhalten auch Jugendliche aus kleinereren Gemeinden Gestaltungsraum, wo es keinen Jugendgemeinderat gibt. Um eine möglichst breite Basis geht es auch Mark Wendt. „Der Wille, etwas zu bewegen, ist groß“, sagt der 19-Jährige. „Wir haben engagierte Schüler aus allen Schularten dabei, wir haben Azubis und Migranten.“ Im Jugendgemeinderat in Esslingen haben 75 Prozent der Mandatsträger einen Migrationshintergrund. Wendt bringt es vereinfacht auf den Punkt: „Wir sind die Bürger von morgen.“
Wenn Schulen, Jugendhäuser und Kommunen ab Januar die Werbetrommel rühren, hoffen auch altgediente Kommunalpolitiker auf ein möglichst lautes Echo. Lob für ein Instrument, das zur Demokratiebildung beitragen soll, kommt aus allen Fraktionen im Kreistag. Echte Beteiligung könne aber nur stattfinden, wenn man Jugendlichen die Freiheit lasse, eigene Wege zu finden, sagt Steffen Weigel (SPD). Für den Esslinger Landrat Heinz Eininger geht es darum, ein Zeichen zu setzen, dass man Jugendliche und ihre Themen ernst nimmt. Eininger hat damit durchaus Erfahrung: Als Bürgermeister hob er 1993 in Kirchheim den ersten Jugendgemeinderat mit aus der Taufe, in dem später seine beiden Kinder vertreten waren.
Infos gibt es im Kreisjugendreferat unter 07 11/39 02-4 28 23 oder per Mail an kenntner.christine@lra-es.de