Zwischen Neckar und Alb

Eine Goldmedaille, ein Geschenk, ein Handschlag

Rotation Spieth Gymnastics schenkt Fabian Hambüchen das Siegerreck Rotation

Fabian Hambüchen hat bei den Olympischen Spielen an einem Gerät der Firma Spieth aus Altbach geturnt. Jeanette Grau und Geschäft
Fabian Hambüchen hat bei den Olympischen Spielen an einem Gerät der Firma Spieth aus Altbach geturnt. Jeanette Grau und Geschäftsführer Henning Hauser (unten) präsentieren eigene Sprungbretter, die es auch schon zur Olympiade geschafft haben. Fotos: dpa/Peter Dietrich

Altbach. Der Kunstturner Fabian Hambüchen hat bei den Olympischen Spielen zum Abschluss seiner Karriere die Goldmedaille am Reck gewonnen. Geturnt hat er seine

Übung an einem Gerät der Firma Spieth Gymnastics. Deren Geschäftsführer Henning Hauser hat das in Rio miterlebt. Am Montag ist er aus Brasilien zurückgekehrt. Er hat Spannendes zu erzählen. Nicht nur von sportlichen Ereignissen, sondern auch davon, welche Folgen der Regierungswechsel in Brasilien für seine kleine Altbacher Firma hat.

Es geht um 50 Container voll mit Material. So viel haben Spieth Gymnastics in Altbach, Eurotramp in Weilheim und Gymnova in Marseille, Frankreich, gemeinsam nach Rio geliefert: Als Konsortium haben sie die Sportarten Trampolin, Kunstturnen der Frauen und Männer, rhythmische Sportgymnastik, Basketball und die Vorbereitung des Turmspringens abgedeckt. Die drei Firmen waren mit 15 Technikern und zehn Organisatoren vor Ort, davon sechs Leute von Spieth Gymnastics aus Altbach.

Der Kontakt zu den Sportlern war im Warm-up-Bereich sehr nah. „Wir hatten als einzige im Komplex eine Kaffeemaschine“, sagt Hauser. Er hat die Turner alle als sehr bodenständig und fair erlebt: „Jeder wünscht dem anderen ganz viel Glück.“ Die Damen, sagt er, seien etwas nervöser, die Männer etwas älter und abgeklärter. Am distanziertesten seien die Amerikaner. „Das sind Superstars“, sagt Jeanette Grau, Leiterin des Vertriebs für Deutschland, Österreich und die Schweiz.

An Hambüchen ist Hauser vor dem Wettkampf die „herausragende Nervenstärke“ aufgefallen. Der Turner habe überlegt, ob er mit der Schwierigkeit noch ein klein wenig nach oben gehen soll, sei dann aber am Reck, „dem Königsgerät bei den Herren“, auf Nummer sicher gegangen. Später dann, bei der Party im deutschen Haus, habe er gesagt, dass er das Siegerreck kaufen wolle. – Das muss er nicht, er bekommt es nun von Spieth Gymnastics geschenkt. Normalerweise kostet so ein Reck um die 2 500 bis 3 000 Euro. Das Gerät für Rio ist aber im aufwendigen Olympia-Sonderdesign. Von jedem Gerät haben die drei Firmen zwölf identische Exemplare geliefert, komplett mit Matten – schließlich sollen für das Üben und Aufwärmen die exakt gleichen Bedingungen herrschen.

Nach den Olympischen Sommerspielen sollten die Geräte eigentlich im Land bleiben, Turnsport hat in Brasilien eine große Bedeutung. „Während sonst zum Kaufpreis plus Transportkosten noch 110 Prozent Schutzzoll aufgeschlagen werden, fiel das bei der Olympiade weg“, sagt Hauser. „So werden aus 100 Euro sonst 250.“ In der Hauptstadt Brasilia traf Henning Hauser den brasilianischen Sportminister – der für alle vorteilhafte Deal der Fünf-Millionen-Euro-Klasse wurde per Handschlag besiegelt. Das war aber vor Beginn der Spiele, und das Gespräch lief mit dem Minister der alten Regierung, die vom Parlament abgesetzt wurde.

Das ergab für die Firma Spieth ein Problem: Drei Wochen nach dem Gespräch mit dem Geschäftsführer war der Sportminister nicht mehr im Amt. Sein Nachfolger fühlt sich an nichts gebunden. Noch hat Hauser die Hoffnung nicht aufgegeben: „Die Entscheidung muss in den nächsten drei Wochen fallen.“ Kommen die Geräte zurück, bekommt Spieth 15 der 50 Container, die Geräte werden zwischengelagert und von Altbach aus weltweit verkauft.

Doch was passiert mit Hambüchens Reck, falls es sich die Brasilianer doch noch überlegen? „Er bekommt es auf jeden Fall“, verspricht Hauser. „Die Kiste ist markiert, da klebt ein Zettel drauf“, sagt Grau. Das ZDF habe sich bereits angekündigt und wolle die Anlieferung des Recks filmen.

„Himmel und Hölle liegen nahe beieinander“, fasst Henning Hauser seine Eindrücke nach drei Wochen Rio zusammen. „Brasilien hat ein Organisationsproblem, ein Verkehrsproblem, es herrschen Korruption und Kriminalität. Auf der anderen Seite gibt es eine sehr freundliche, lebensbejahende Bevölkerung und rund um Rio ist es landschaftlich wunderschön.“ Mit der Performance der Geräte ist er sehr zufrieden: kein Ausfall, keine Reklamation. „Wenn vor Millionen Zuschauern eine Reckstange gebrochen wäre, das wäre der Supergau gewesen.“ Die Stangen sind innen hohl und mit einem Drahtseil gesichert – diese Technik ist weltweit einmalig.

Geld verdienen lasse sich bei den Olympischen Spielen nicht, sagt Hauser. Aber entscheidend sei die Werbewirkung. Die Sportler wollten in ihren Ländern mit den Geräten trainieren, an denen sie auch bei den Wettbewerben geturnt hätten. „Manche denken, wir sind ein Unternehmen mit 1 000 Leuten, dabei sind wir nur 30.“ Spieth Gymnastics ist wie Gymnova Teil der französischen ABEO-Gruppe und erzielt einen Jahresumsatz von etwa acht bis zehn Millionen Euro. 60 bis 70 Prozent der Geräte gehen in den Export. Das Programm reicht bis hinunter zu den Sportstars von morgen, in den Kindergarten.

Wer treibt wen mit neuen Ideen an, der Gerätehersteller den Sportler oder umgekehrt? Mit dem, was ein Olympiasieger in den 70er-Jahren geturnt hat, würde er heute keinen vorderen Platz mehr belegen. Nicht nur die Turner sind immer mehr gefordert, auch das Material. Irgendwann reicht dann vielleicht die Glasfasereinlage im Barrenholm nicht mehr, dann ist vielleicht Karbon gefragt. So mancher Prototyp wandert zum Test von Altbach nach Stuttgart – von den dortigen Turnern kommt dann eine ehrliche Rückmeldung.

Eines hat sich seit der Firmengründung, 1831 in Esslingen, nicht geändert: Bei der Fertigung ist viel Handarbeit gefragt. Auch räumlich herrscht fast Konstanz: Gefertigt wurde in der Firmengeschichte mal in Esslingen, mal in Wernau, seit 2013 ist der Firmensitz in Altbach. Hauser und Grau klingen nicht, als ob sie dort so schnell wieder weg wollten. Es sei denn zu den nächsten Olympischen Spielen.