Der demografische Wandel stellt die Gesellschaft vor große Herausforderungen. Die Zahl der hochbetagten Menschen über 85 Jahre wird sich bis 2040 fast verdoppeln. Herauszuarbeiten, was diese Zahlen für das Land und die Kommunen bedeuten und wie darauf reagiert werden muss, ist Aufgabe des Demografiebeauftragten.
Am 1. März hat der 53-jährige Nürtinger Thaddäus Kunzmann sein neues Büro im Stuttgarter Sozialministerium bezogen. Der ehemalige Landtagsabgeordnete ist jetzt Demografiebeauftragter des Landes Baden-Württemberg. „Ich war zunächst skeptisch“, sagt er rückblickend. Bedenken hat er längst abgelegt. „Mir macht die Aufgabe jetzt richtig Spaß“. Er ist viel unterwegs. Spricht mit Bürgern, Vertretern von Kommunen, der Wirtschaft und von Sozialorganisationen. Unter anderem besucht er sogenannte „Leuchtturmprojekte“, die sich mit altersgerechtem Leben und Wohnen, einer wohnortnahen Pflege und den Potenzialen der älteren Menschen bei der Bewältigung der gesellschaftlichen Veränderungen auseinandersetzen. Er führt viele Gespräche und betreibt Netzwerkarbeit.
Derzeit erarbeitet Kunzmann eine Bestandsaufnahme. Was ist an Infrastruktur vorhanden? Wo fehlen Einrichtungen? Was wird in Zukunft benötigt? Wie wirken sich die Flüchtlingszahlen auf die Bevölkerungsentwicklung aus? „Baden-Württemberg ist und bleibt ein Zuzugsland, die Entwicklung wird auch in den nächsten zehn bis 20 Jahren positiv sein“, sagt Kunzmann. Intensiv hat sich der Demografiebeauftragte mit Zahlen des Statistischen Landesamtes auseinandergesetzt. Nimmt er die regionalisierte Bevölkerungsvorausberechnung in den Gemeinden des Landes zur Hand, die auf Basis der Zahlen von 2014 erstellt wurde, dann sind die Ballungsräume weiterhin starke Zuzugsgebiete. Zurückgehen werde die Bevölkerung eher im ländlichen Raum. Die prognostizierten Verlierer befinden sich im Schwarzwald, im Odenwald und im Zollernalbkreis. Überall dort, wo es große Einheiten gebe und Schienenwege vorhanden seien, werde es weiterhin Wachstum geben. Was die Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten bringt, wenn die geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter kommen, sieht indes nicht immer rosig aus.
Am Beispiel seiner eigenen Generation - Kunzmann ist Jahrgang 1964 - zeigt er, was passiert, wenn in Deutschland der geburtenstärkste Jahrgang ab den 2040er-Jahren in die sogenannte vierte Lebensphase kommt und die Menschen mitunter pflegebedürftig werden. Wird es dann noch genügend Pflegekräfte geben, die diese Hochbetagten versorgen? „Wir müssen beim Zuzug über die EU-Grenzen hinausgehen“, sagt Kunzmann. „Die Wucht des demografischen Wandels wird 2040 voll zuschlagen.“
Um auch den ländlichen Raum zu stärken und zu verhindern, dass sich die Versorgungslage dort wesentlich verschlechtere, müsse man auf den Dörfern die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich dort wieder junge Familien ansiedeln. „Breitband und Mobilität werden von Familien als wichtige Voraussetzungen für einen möglichen Umzug aufs Land genannt“, weiß Kunzmann. Darauf müsse man reagieren.
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Zahl älterer Menschen müsse man sich auch Gedanken darüber machen, was zu tun sei, damit die Menschen länger gesund bleiben. „Prävention spielt dabei eine ganz wichtige Rolle, weil sich Familienstrukturen schleichend auflösen“. Aufgabe, so Kunzmann, sei es in den nächsten Jahren, auf der Basis der Bestandsaufnahme Handlungsfelder zu erarbeiten und Fragestellungen zu diskutieren. „Wir müssen einen roten Faden und eine Art Demografie-Strategie entwickeln.“ Handlungsbedarf sieht er ministeriumsübergreifend. „Wir müssen beispielsweise Förderprogramme sinnvoll bündeln.“