Zwischen Neckar und Alb
Eispaddler trotzt Minusgraden

Hobby Der Kajak-Fahrer Andreas Hölderle kann das Paddeln auf dem Neckar auch im Winter nicht lassen. Von Simone Lohner

Ein rauer Wind weht, als Andreas Hölderle mit seinem Kajak auf den Schultern durch den Schnee stapft. Sein Ziel: Das ­Neckarufer in ­Esslingen am Färbertörlesweg, dem Sitz des Esslinger Kanu­vereins. In der Ferne ist der ver­schneite ­Pliensauturm zu sehen, in der Nähe rauschen Autos über die Vogelsangbrücke.

Hölderle ist hauptberuflich Bauingenieur und geht nur in seiner Freizeit aufs Wasser. Die Temperaturen schrecken den 50-jährigen Esslinger nicht ab. „Ich versuche, auch im Winter fit zu bleiben“, sagt Hölderle. Seit 37 Jahren ist er Kanufahrer, am liebsten fahre er mit dem Kajak. Dazu muss man wissen, dass es verschiedene Kanutypen gibt, nämlich das Kajak und den Kanadier: Im Kajak verwendet man ein Doppelpaddel, im Kanadier ein Stechpaddel. Und im Gegensatz zu den Ruderern fahren Kanufahrer vorwärts.

Anfänger fahren nicht im Winter

„Im Winter ist die Stimmung eine ganz besondere“, sagt Hölderle. Es sei meist ruhiger auf dem Wasser. Ein Kanute, wie die Kanufahrer genannt werden, müsse im Winter aber mit der Kälte zurechtkommen. „Es ist meist so, dass man sich eher zu warm anzieht“, sagt Hölderle. Von Oktober bis März würden auch die Erwachsenen im Kanu eine Schwimmweste tragen. Sonst gelte das nur für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren.

Nicht jeder wagt sich im Winter aufs Wasser. Wer noch nicht so lange dabei sei, trainiere bei den kalten Temperaturen mit Hanteln oder gehe joggen, erzählt Hölderle. Denn falle man ins Wasser, sei es ein hartes Stück Arbeit, sich aus den eiskalten Fluten zu retten. Für die Fahrt auf dem Wasser muss ein Kanute auch deshalb gut schwimmen können: „Das Schwimmabzeichen Bronze sollte man vorlegen können“, so Hölderle. Aus Sicherheitsgründen werde zudem empfohlen, stets zu zweit paddeln zu gehen. Und das ist bei Beachtung der derzeit geltenden Kontaktbeschränkungen mit maximal zwei Personen auch erlaubt.

Die Pandemie und die ­damit verbundenen Beschränkungen treffen trotzdem auch die Kanu­sportler hart: Vereinsaktivitäten seien komplett auf Eis gelegt, berichtet Hölderle. Vor dem Lockdown habe er im Verein eine Gruppe von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen betreut. Zwei- bis dreimal pro Woche habe das Training stattgefunden, nun pausierten alle.

Für Andreas Hölderle hat das Paddeln auf dem Neckar fast etwas Meditatives. „So wie beim Joggen“, sagt Hölderle und ergänzt sogleich: „Wobei ich lieber paddeln gehe als joggen.“ Eine Genehmigung, um auf dem Neckar zu fahren, brauche man nicht. Aber: „Die Boote müssen gekennzeichnet sein“, erklärt Hölderle. Und er müsse natürlich die Schifffahrtsregeln kennen und Rücksicht auf größere Schiffe nehmen. Bei den Wehren, also Staubereichen am Neckar, müssen die Kanufahrer an Land gehen und ihr Kanu bis zum nächsten Einstieg tragen. Oberhalb und unterhalb der Schleusen stehen dafür sogenannte Bootsschleppen zur Verfügung: kleine Wagen mit Rollen, die dem Kanuten helfen, das Boot vom Wasser an Land und zurück zu bringen.

„Grundsätzlich ist es an jeder Stelle des Neckars möglich, mit dem Kajak oder Kanadier zu fah­ren, solange das Wasser tief genug ist“, erzählt Hölderle. Der ­Neckar sei durch Flachwasser geprägt. Auch „leichtes Wildwasser“ finde man, „aber kein richtiges Wildwasser“. Denn durch die vielen Wehre am Fluss sei das Wasser „gezähmt“.

An diesem Wintertag steigt Andreas Hölderle mit Neoprenanzug, Mütze und Handschuhen in sein Rennkajak. Die Temperaturen liegen unter dem Gefrierpunkt, einige winzige Wellen sind auf dem Wasser zu erkennen. Mit einigen Paddelzügen entfernt er sich vom Steg und dreht eine Runde. Bei diesen Temperaturen fahre er eine halbe bis ganze Stunde, meist am Wochenende. Da es im Winter früh dunkel wird, sei Paddeln unter der Woche nach Feierabend meist nicht möglich.

Der 50-jährige Esslinger kehrt nach seiner Runde zurück an den Steg und nimmt sein Kajak, das nur zwölf Kilo wiegt, auf die Schultern. Das Doppelpaddel hält er in der anderen Hand. Über einen schneebedeckten Weg läuft er vom Neckarufer hinüber zum nahe gelegenen Haus des Kanuvereins.