Zwischen Neckar und Alb

Elektrisch fahren heißt Umdenken

Verkehr Zwei Besitzer von Elektroautos berichten von ihren Erfahrungen. Eine der entscheidenden Fragen lautet stets: Reicht der Akku oder nicht? Von Peter Dietrich

Jürgen Menzel lädt nach: Mit voller Batterie kommt er bis zu 120 Kilometer weit.Foto: Peter Dietrich
Jürgen Menzel lädt nach: Mit voller Batterie kommt er bis zu 120 Kilometer weit.Foto: Peter Dietrich

Im November 2018 war der grüne Esslinger Stadtrat Jürgen Menzel drei Wochen krank. Bei jedem Wetter mit Bahn und Rad zur Arbeit nach Waiblingen - das fand er doch nicht optimal. Also kaufte er sich einen gebrauchten E-Smart, Erstzulassung September 2012. Üblicherweise falle zusätzlich zum Kaufpreis beim Smart eine monatliche Batteriemiete an, sagt Menzel. Er fand aber in Bayern ein car2go-Auto, bei dem die Batterie Teil des Kaufpreises war. Der war zwar mit 7 500 Euro etwas höher, und Menzel muss das Risiko eines Batterieausfalls tragen, aber die Miete von monatlich 65 Euro, die normalerweise ab dem Erstkauf zehn Jahre lang fällig wird, fällt weg.

Versprochen wurden 130 Kilometer Reichweite. Nun die spannende Frage: Wie sieht das in der Praxis aus? Zum einen war die Batterie beim Kauf schon gut sechs Jahre alt, zum andern war es kalter Winter. „Die Anzeige hat 90 Kilometer angezeigt, ohne Heizung. In der wärmeren Jahreszeit sind es nun bei voller Batterie 110 bis 120 Kilometer“, sagt Menzel und ist nun nach der ersten Ernüchterung zufrieden. Er lobt die starke Beschleunigung und die Leistungsreserven. „In einer Steigung nach der Ampel habe ich einmal einen 5er-BMW hinter mir gelassen. So fahre ich sonst nie, aber ein einziges Mal wollte ich das testen.“ Noch ein Vorteil: Mit dem handlichen Auto finde er leichter einen Parkplatz. Der Laderaum - zum Beispiel für zwei große Sprudelkisten, zwei Saftkisten und eine Tasche - reicht. „Wenn ich einmal etwas Größeres brauche, nehme ich ein Carsharing-Auto.“

Trotz Auto fährt Menzel weiterhin jährlich Tausende Radkilometer und viel Bahn. Geladen wird das Auto entweder an der Ladesäule in gut fünf Stunden oder zu Hause an der Steckdose mit Ökostrom in etwa sieben Stunden. Das teilweise Gratisladen eingerechnet, zahlt Menzel etwa ein Drittel von dem, was ihn das Benzintanken kosten würde. „Elektromobilität macht nur Sinn, wenn es im Netz immer mehr erneuerbaren Strom gibt“, sagt Menzel. Und ihm ist klar: „Wir brauchen trotzdem eine Verhaltensänderung. Stau und Chaos bleiben auch mit E-Mobilität Stau und Chaos.“ Ein Schlüssel sei das Gewicht: „Mein Auto wiegt 975 Kilogramm, die Batterie kommt mit knapp 18 Kilowattstunden aus.“ Ein schwerer Tesla mit hoher Reichweite brauche eine ganz andere Batteriegröße mit entsprechend enormer Umweltbelastung.

Hat sich Menzel umstellen müssen? „Man muss planen.“ Vor der Abholung des Autos überprüfte er die Lademöglichkeiten und „tankte“ dann unterwegs bei einer gemütlichen Pause auf. Denn 150 Kilometer am Stück waren eindeutig zu viel. Und noch etwas: „Weil das Auto so leise ist, muss ich ständig prüfen, ob mich Fußgänger wahrnehmen oder nicht. Das muss man üben.“ Festgestellt hat er: „Die Leute schauen alle, man fällt auf, weil man so leise ist.“

Ebenfalls Elektroneuling ist Rolf Storr, der in der Esslinger Neckarhalde wohnt. Er ist bisher etwa 1500 Kilometer mit seinem neuen elektrischen Cabrio unterwegs gewesen. „Es macht riesigen Spaß“, sagt er. Aber es sei ein Umdenken: „Was habe ich morgen vor? Lade ich heute Nacht noch?“ Denn das Laden an der normalen Steckdose dauere derzeit noch lange, und die Elektriker seien ausgelastet: „Ich finde einfach keinen Elektriker, der mir die Wallbox installiert.“ Mit dieser intelligenten Station gehe das Laden dann viel schneller. Als Schwabe, sagt Storr, freue er sich über das kostenlose Parken. „Das ist ein klasse Stadtauto.“ Nur alleine damit gehe es nicht, es sei für ihn und seine Frau ein Zweitwagen. Und die Reichweite? „Man achtet auf energiesparendes Fahren.“ Einmal habe er erst nach 120 Kilometern wieder geladen. Immer bis zum Anschlag fahren wolle er nicht. „Das hatte ich bei der Probefahrt gemacht, da musste ich dann bangen, ob es reicht.“

Nur 0,3 Prozent sind im Kreis reine E-Autos

Angemeldet waren am 1. Juni 2018 im Landkreis Esslingen 3 022 elektrische oder teilelektrische Fahrzeuge. Ein Jahr später waren es 4 812. Davon benötigen aber jeweils 1 720 beziehungsweise 2 741 Fahrzeuge einen Verbrennungsmotor, der Strom erzeugt. Zählt man lediglich die Plug-in-Hybridfahrzeuge, die sowohl Kraftstoff tanken als auch an der Steckdose geladen werden können, und die rein elektrischen Fahrzeuge zusammen, so waren es am 1. Juni 2018 im Landkreis Esslingen nur 1 302 und ein Jahr später 2 071 Fahrzeuge. Bei insgesamt 400 000 Fahrzeugen, die mit dem ES- und NT-Kennzeichen unterwegs sind, stieg der Anteil also von 0,3 auf 0,5 Prozent. Bei reinen Elektrofahrzeugen stieg der Anteil im Landkreis von 0,2 auf 0,3 Prozent. In diesen Zahlen enthalten sind alle Fahrzeugarten, mindestens 83 Prozent sind Pkw. Dieses Jahr am 1. Juni waren im Landkreis 1 180 reine Elektroautos - ohne Lastwagen - gemeldet.

Über dem Bundesdurchschnitt liegt der Kreis Esslingen mit diesen Zahlen. Laut Statista waren zu Jahresbeginn in Deutschland 83 200 Stromer unterwegs - bei insgesamt 47,1 Millionen Autos. Bezogen auf die Einwohnerzahl sind im Landkreis also erheblich mehr Elektroautos unterwegs als deutschlandweit. Ein genauer Vergleich fällt aber schwer, weil die bundesweiten Zahlen aus dem Januar und die kreisweiten Zahlen aus dem Juni stammen. Würde sich das prozentuale Wachstum der Jahre 2017 und 2018 in etwa so fortsetzen, wären zu Jahresbeginn 2020 bundesweit rund 130 000 Stromer unterwegs. Das Ziel, dass 2020 eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen fahren, wäre damit weit verfehlt.

Was Käufer abhält, sind neben langen Lieferzeiten und Zweifeln am Ladestellennetz auch die deutlich höheren Preise: 30 000 Euro für ein Auto, das es als Benziner für 10 000 Euro oder günstiger gibt, schrecken offenbar ab, trotz einer Umweltprämie von 4 000 Euro für ein reines Elektroauto und 3 000 Euro für einen Plug-in-Hybrid.pd