Zwischen Neckar und Alb

Elektrisierender Plan für Busverkehr

Umwelt Ein interfraktioneller Antrag sieht vor, dass Esslingen die erste Stadt in ganz Deutschland wird, deren Busse ausschließlich elektrisch unterwegs sind. Auf private Partner soll verzichtet werden. Von Claudia Bitzer

Die Esslinger Oberleitungsbusse sind nicht nur geschichtsträchtig, sondern auch zukunftsweisend. Die Chancen stehen gut, dass 20
Die Esslinger Oberleitungsbusse sind nicht nur geschichtsträchtig, sondern auch zukunftsweisend. Die Chancen stehen gut, dass 2024 imStadtgebiet kein Dieselbus mehr fährt. Foto: Ines Rudel

Nun also doch: Grüne, SPD und Linke im Esslinger Gemeinderat wollen die historische Chance nutzen, Esslingen zur ersten Stadt in ganz Deutschland mit einem ausschließlich elektrisch betriebenen Busverkehr zu machen. In einem gemeinsamen Antrag plädieren sie dafür, dass die bislang vom insolventen Busunternehmen Rexer bedienten Linien, die 37 Prozent des städtischen Busverkehrs ausmachen, nicht zum 1. Januar 2021 neu ausgeschrieben werden. Stattdessen soll der Städtische Verkehrsbetrieb Esslingen (SVE), der die restlichen 63 Prozent betreibt, auf jeglichen privaten Partner verzichten und alle Linien selbst fahren - und das ab 2024 nur noch mit elektrisch betriebenen O-Bussen und Elektrohybridbussen mit Oberleitung und Batterie.

Noch vor der Sommerpause wird der Gemeinderat über ihren Antrag entscheiden - und es zeichnet sich eine hauchdünne Mehrheit dafür ab. Zumal sich auch OB Jürgen Zieger hinter den interfraktionellen Antrag stellt. Zieger: „Damit würden die Voraussetzungen geschaffen, dass wir den Busverkehr in unserer Stadt in wenigen Jahren batterieelektrisch, vollständig emissionsfrei und mit klimaneutral erzeugtem Strom erbringen.“ Ein Wermutstropfen ist allerdings dabei: Die Antragsteller haben sich auf ein Bündel von Vorschlägen geeinigt, wie sie die Mehrkosten von rund 300 000 Euro gegenfinanzieren wollen. Diese Kosten ergeben sich nicht aus der weiteren Elektrifizierung des Liniennetzes - denn der bereits beschlossene Ausbau bis Ende 2023 reicht völlig aus, um alle Linien via Oberleitung oder Batterien bedienen zu können. Sie ergeben sich auch nicht aus den neuen Fahrzeugen, die vom Landkreis finanziert und vom Bund bezuschusst werden. Sondern allein aus der Tatsache, dass die kommunalen Busfahrer besser bezahlt werden, als es der Tarif für die privaten vorsieht. Kämen zu den SVE-Fahrern noch die Rexer-Fahrer dazu, summiert sich das auf 300 000 Euro im Jahr, das an der Stadt hängenbleiben würde.

Das ließe sich auf einen Schlag damit auffangen, das beliebte Stadtticket von 3 auf 3,50 Euro zu verteuern. Ein Schritt, den eigentlich keiner will. Zu dem sich Grüne, SPD und Linke aber doch durchgerungen haben. Sie hoffen allerdings, den Preissprung noch abmildern zu können. So erwarten sie sich, dass der Kreis der Stadt einen Ausgleich für die künftig anfallende CO2-Besteuerung von Dieselbussen überweist - wenn die Stadt dann nur noch öko-elektrisch unterwegs sei. Zudem wollen sie noch mehr Parkplätze kos- tenpflichtig oder gegen Anwohnerparkausweis abgeben. Die noch verbleibenden Mehrkosten sollen etwa durch Verkäufe ehemaliger EnBW-Aktien finanziert werden. „Wir machen hier wirklich ausgewogene Vorschläge“, betont die Grünen-Fraktionschefin Carmen Tittel. „Alle im Gemeinderat sollen sehen, dass es uns wirklich um die Sache geht“, ergänzt SPD-Fraktionschef Nicolas Fink. „Am Stadtticket wäre es bei uns fast gescheitert“, so Tobias Hardt. Doch am Ende hat sich auch die Linke zum Gesamtpaket bekannt. „Uns war es wichtig, dass wir wirklich zu 100 Prozent öko-elektrisch mit den Bussen unterwegs sein können“, begründete Tittel die Tatsache, dass ihre Fraktion nach einem ersten Vorstoß der SPD noch Klärungsbedarf hatte. „Uns ist wichtig, dass wir den Buskunden ein weiteres Rexer-Drama ersparen“, verweist Fink auf die Reibungsverluste in den Anfangszeiten von Rexer. Und für Hardt ist es wichtig, dass sich die Stadt mit der Übernahme der Rexer-Fahrer auch zu einer angemessenen Bezahlung des Berufsstands bekennt.

Die Stadt war in Zugzwang geraten, weil sich die insolvente Firma Rexer zum 1. Juli aus Esslingen zurückziehen sollte. Die ersten Vorstellungen der Stadt, Busse und Fahrer für ein Jahr zu übernehmen und solange die Ausschreibung bis 2028 vorzubereiten, waren gescheitert. Die Busse wurden gekauft, doch die Fahrer hätten nur unbefristet übernommen werden dürfen. Zuletzt gab es eine Gnadenfrist, weil Rexer bis Ende 2020 noch weiterfahren darf. Der Gemeinderat hätte nunmehr darüber entscheiden müssen, bis Januar die Ausschreibung auf den Weg zu bringen. Stattdessen gab es nun den Änderungsantrag von Grünen, SPD und den Linken, ganz auf einen privaten Partner und Dieselbusse zu verzichten.