Zwischen Neckar und Alb
EnBW will nicht noch mehr Kohle verbrennen

Energie Der Kohleblock im Kraftwerk Altbach soll zunächst auf Gas, dann auf Biogas und Wasserstoff umgestellt werden. Damit soll es bis 2026 klimaneutral werden. Von Dominic Berner

Das EnBW-Kraftwerk in Altbach soll klimaneutral werden. Das klingt im ersten Moment bizarr: Wie kann man ein mit Steinkohle betriebenes Werk so umstellen, dass es klimaneutral ist, also kein CO2 mehr ausstößt? Der Plan, den die EnBW diese Woche in den Gemeinderäten in Altbach und Deizisau vorgestellt hat, nennt sich „Fuel-Switch“. Strom und Fernwärme werden dann nicht mehr aus Kohle gewonnen, sondern zunächst aus Erdgas und später aus verschiedenen Biogasen und Wasserstoff. Bis 2026 möchte das Unternehmen in dem Standort kohlefreie und langfristig klimaneutrale Energie produzieren..

Zwischenschritt verschafft Zeit

Konkret soll auf dem Gelände in Altbach eine sogenannte Gas- und Dampfturbinenanlage gebaut werden, die sukzessive bis in fünf Jahren, also bis 2026, die bestehenden Kohleblöcke komplett ablöst. Der Plan ist, die neue Anlage zunächst „für eine begrenzte Zeit“ mit Erdgas und später dann mit grünen Gasen zu betrieben. Sie hat eine elektrische Leistung von 750 Megawatt und eine Wärmeleistung von 170 Megawatt. Zum Vergleich: Derzeit kann das Kraftwerk 1022 Megawatt Elektrizität und 407 Megawatt Fernwärme auskoppeln.

Mit den „grünen Gasen“ meint die EnBW verschiedene Biogase und vor allem Wasserstoff. Die Energieerzeugung werde in Altbach so lange mit Erdgas sichergestellt, bis ausreichende Mengen dieser Energieträger zur Verfügung ständen, hieß es in der Mitteilung des Unternehmens. Dieser Zwischenschritt verschaffe der EnBW Zeit, um die Wasserstoffinfrastruktur aufzubauen und die erneuerbaren Energien weiter auszubauen. Im Betrieb soll die neue Anlage 63 Prozent weniger CO2 produzieren, als es momentan in den Steinkohleblöcken der Fall ist. Bei 4,5 Millionen Megawattstunden, die der Konzern pro Jahr in Altbach erzeugen möchte, könnten somit 2,9 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. „Wir haben uns einiges vorgenommen. Bis 2026 soll der Standort Altbach und Deizisau vollständig kohlefrei sein“, sagte Georg Stamatelopoulos, der Vorstand für nachhaltige Erzeugungsinfrastruktur bei der EnBW. „Erdgas sehen wir als Brückentechnologie auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2035.“

Demnach sei geplant, die Anlage in Altbach langfristig als „steuerbares Gaskraftwerk“ zu betreiben. Es soll also nicht dauerhaft eingesetzt werden, sondern dann einspringen, „wenn Wind- und Sonnenstrom nicht ausreichend zur Verfügung steht“, erklärte Georg Stamatelopoulos.

Sebastian Schäfer (Grüne), der den Kreis Esslingen im Bundestag vertritt, lobte die Pläne: Die Ankündigung sei eine gute Nachricht. „Neben der Sicherstellung der Versorgungssicherheit für Strom und insbesondere auch für Fernwärme, ist der Umstieg vor allem auch ein Meilenstein für die Luftreinhaltung“, sagte er. Vonseiten des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) wurde jedoch Kritik an dem Plan laut. Die Strategie weise nicht den Weg in eine klimaneutrale Zukunft, erklärte die Landesvorsitzende des BUND, Sylvia Pilarsky-Grosch. „Die Entscheidung des Konzerns, weiterhin auf fossiles Erdgas zu setzen und damit den Umstieg auf erneuerbare Energien zu verzögern, ist nicht zukunftsgerichtet“, sagte sie.

Die EnBW befindet sich im Umbruch. Während vor gut zehn Jahren noch 17 Kohlekraftwerksblöcke in Betrieb waren, sind es mittlerweile nur noch acht. Das Heizkraftwerk in Stuttgart-Gaisburg, das direkt an der B 10 steht, ist bereits von Kohle auf Gas umgestellt worden. Nun soll der „Fuel-Switch“ auch in Altbach/Deizisau, Stuttgart-Münster und Heilbronn umgesetzt werden. Ob der Wechsel von Kohle zu Strom im Kraftwerk Altbach kommen wird, entscheide sich in den kommenden Monaten. Auch wie viel Geld das Unternehmen investieren möchte, steht noch nicht fest.

In Altbach steht der „Fuel Switch“ bevor

 

Klimaneutralität: Was bedeutet es genau, wenn Unternehmen „klimaneutral“ werden wollen? Es darum, eigene Treibhausgas-Emissionen auszugleichen, sodass es netto zu keinem Anstieg der Konzentration in der Atmosphäre kommt. Zur Neutralität führen zwei Wege: Zum einen, indem man an anderer Stelle weniger bis gar keine Gase ausstößt und die Emissionen kompensiert. Zum anderen, indem man sie gänzlich vermeidet. In diesem Fall spricht man von Emissionsfreiheit.

Wechsel: Der englische Begriff „Fuel“ steht für Brennstoff, „Switch“ für den Wechsel. Hierbei wird also ein Brennstoff durch einen anderen ersetzt, der das Klima weniger belastet. Im Beispiel Altbach zunächst Kohle durch Erdgas.

Mitarbeiter: Im Kohlekraftwerk Altbach arbeiten 200 Menschen. Wie geht es nach dem Kohleausstieg weiter? Laut EnBW sind alle Mitarbeiter abgesichert. So wurden Vereinbarungen mit dem Arbeitgeberverband getroffen, „die von einem Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen über Maßnahmen zur Qualifizierung bis hin zu Altersteilzeitmodellen“ reichen. db