Am Straßenrand bleiben die Leute stehen, drehen ihren Kopf verdutzt Richtung Fahrbahn und schauen ungläubig den knatternden Zweirädern nach. Das waren doch…! Ja, tatsächlich, eben düsten zwei Dutzend Mofas vorbei. Mofa? Den jüngeren Lesern sei kurz erklärt, dass das ein fahrbarer Untersatz mit Zweitaktmotor ist, der Spitze 25 Sachen bringt. Vor rund einem halben Jahrhundert das Fortbewegungsmittel schlechthin bei Jugendlichen vom 15. Lebensjahr an. Das bedeutete damals ein Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit. Jahrgänge vor 1965 benötigten nicht mal einen Führerschein. Draufsetzen und losfahren, lautete das Motto.
Seit ein paar Jahren ist es wieder möglich, mit diesen antiquierten Zweirädern über die Alb zu knattern. Knattern? Davon will Veit Senner von „Rad der Zeit“ in Auingen, der mit den Mofas Ausfahrten über die Mittlere Alb anbietet, nichts wissen. „Den Krach machen die nur, wenn die Auspuffanlage manipuliert wurde“, weiß der 58-Jährige, der in seiner Garage rund 50 Oldtimer der Marken Hercules, Puch, DKW, KTM, Prima, Zündapp und Kreidler stehen hat, garantiert nicht frisiert.
Einige davon sind älter als er selbst. Zusammengekauft, restauriert und wieder fahrbar gemacht von ihm und einigen helfenden Händen. Im Gegensatz zu früher stinken die Abgase nicht mehr. Wurden Filter eingebaut? Nein, lacht Senner, er verwendet vielmehr einen Sonderkraftstoff, der sei zwar teurer als der normale Sprit, dafür aber umweltfreundlich. Der kommt zum Beispiel auch bei Kettensägen in Naturschutzgebieten zum Einsatz. Fünf Liter von diesem Gemisch kosten immerhin 20 Euro. Mit zwei Litern kommt man rund 100 Kilometer weit.
Genug erzählt. Jetzt gibt es erst einmal eine Einweisung und eine kurze Testfahrt um die Ecke. Dann geht es los. Helm aufziehen, Nierengurt umschnallen, in die Pedale treten, Kaltstarter ziehen und ab geht die Post. Schon nach ein paar Hundert Metern sieht man bei den Fahrerinnen und Fahrern ein seliges Grinsen unter dem Helm.
Senner selbst ist mit dem Besenwagen unterwegs. Als Begleitfahrzeug hat er sich ein altes Löschfahrzeug gekauft, das inzwischen ebenfalls schon 40 Lenze auf dem Buckel hat. Abseits der Bundes-, Kreis- und Landesstraßen fährt die Nostalgietruppe, die für Geburtstagskind Rolf, der seinen 70. feiert, eine Tour für ihn, seine Frau, die Familie und die Freunde gebucht hat.
Nein, man kurvt jetzt nicht stundenlang über die Mittlere Alb, bis einem die vier Buchstaben schmerzen. Bei den Ausfahren, die über idyllische Dorfstraßen, schattige Waldwege und kurvige Steigen führen, lautet das Motto „51 Prozent fahren, 49 Prozent Kultur und Älblerisches erleben“, sagt Senner. So gibt es zum Beispiel eine Käseverkostung in der Hohensteiner Hofkäserei, nebenan den Wasserbüffeln zuschauen, Kaffee und Kuchen und eine Kugel Eis aus dem Lautertal auf der Wirtshausterrasse genießen, das Elektro-Museum in Hayingen unter die Lupe nehmen, die alten Baracken und das Offizierskasino in der ehemaligen Soldatensiedlung Altes Lager in Auingen anschauen.
Manchmal geht es auch zum Fertighaushersteller Schwörer, zu den Machern in der Albmessermanufaktur in Bernloch, denen man über die Schulter schauen kann, oder man erklimmt eine der zahlreichen Burgen entlang der Lauter. Insgesamt 140 Ziele hat Senner im Programm, die sich alle im Biosphärengebiet Schwäbische Alb befinden.
Senner weiß, dass die Mofas allen Spaß machen, Männern, Frauen, Alten, Jungen und Junggebliebenen. Die einen wollen erleben, wie sich der Vater oder der Opa fortbewegt haben, die anderen wollen einfach wieder mal in Erinnerungen schwelgen und sich den Fahrtwind um die Nase wehen lassen. Auch Jubilar Rolf fühlt sich wie neugeboren, fühlt sich in das Jahr vor mehr als einem halben Jahrhundert zurückversetzt, als er noch einen Zweitakter sein Eigen nannte. Die Mofa-Karawane auf der Straße fällt auf. So etwas sieht man nicht alle Tage. Kein Wunder, dass die Leute ihre Smartphones zücken und Erinnerungsfotos machen. Zwischendurch bleibt eines der motorisierten Zweiräder stehen. Es macht keinen Rucker mehr. Kein Problem. Veit Senner hat in seinem Besenwagen drei Modelle in petto. Das kaputte wird in das Feuerwehrfahrzeug gehievt, das fahrbereite heruntergeholt und weiter geht die Fahrt.
Während der nächsten Rast erzählt Veit Senner, dass er anfangs diese Fahrten für Touristen gedacht hatte. Schon bald stellte sich aber heraus, dass die meisten aus der Region und dem Großraum Stuttgart die Mofas buchen, die die Alb einmal entschleunigt erleben möchten.
77 Kilometer und acht Stunden später kommen die „Halbstarken“ wieder gesund und munter in Auingen an. Zwar spüren einige von ihnen jetzt den harten Sitz und steigen etwas breitbeinig von ihrem fahrbaren Gerät herunter. Das Lächeln ist aber geblieben. „Das war eine Reise in die Vergangenheit in Dir selbst“, philosophiert Veit Senner und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stimmen ihm ohne Wenn und Aber zu.