Zwischen Neckar und Alb
Erfolg, der verpflichtet

Neubau Der Kreistag beschließt für mehr als 30 Millionen Euro den weiteren Ausbau der Nürtinger Klinik auf dem Säer. Jahrelanges Wachstum legt diesen Schritt nahe, auch wenn Corona inzwischen bremst. Von Bernd Köble

Auch Erfolg kostet Geld. Warum auf dem Nürtinger Säer schon wieder gebaut werden soll, kaum dass die ersten Handwerker ausgezogen sind? Eine der Antworten hängt gerahmt an den Wänden im Eingangsbereich. Zertifikate und Bewertungen von Fachmagazinen weisen den drei kreiseigenen Mediuskliniken seit Jahren einen Top-Platz im nationalen Ranking zu. Verschriftlichter Beweis für Kundenzufriedenheit, die sich in jahrelang steigenden Patientenzahlen spiegelt. Dass dem ersten Entwicklungsschritt sofort der nächste folgt, ist für Politik und Verwaltung daher logisch.
Der Landkreis drückt bei Ausbau und Neugliederung seiner Kliniklandschaft auf den letzten Metern aufs Tempo. Nach der Erweiterung in Ruit bis 2025 sollen nun auch auf dem Säer bis Ende 2024 rund 31,3 Millionen Euro in neue Technik und

 

„Das ist der finale Schritt zur Zentralisierung.
Landrat Heinz Eininger
 

zusätzliche Räume investiert werden. Knapp 19 Millionen der Nürtinger Kosten bringen die Kliniken selbst auf, den Rest finanziert das Land. Nur wenige Monate vor Inbetriebnahme des neuen Patiententrakts mit 72 zusätzlichen Betten und zweier neuer Operationssäle auf dem Säer hat der Kreistag in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause einstimmig den nächsten Bauabschnitt beschlossen. Dessen Herzstück ist ein knapp 24 Millionen Euro teurer Neubau der Zentralen Notaufnahme, mit dem schon im Oktober begonnen werden soll. Dazu kommen unter anderem die Erweiterung des Patienten-Service-Centers, neue Verwaltungsräume und ein zweites Rechenzentrum.
Für Landrat Heinz Eininger ist es der „finale Schritt zur Zentralisierung“ an den beiden Klinikstandorten in Kirchheim und Nürtingen. Während rund die Hälfte der Krankenhäuser im Land tiefrote Zahlen schreibt, haben die Mediuskliniken auch Corona bisher gut überstanden. 9,7 Millionen Euro beträgt der Überschuss im ersten Jahr der Pandemie. Das schafft Spielräume für Investitionen, auch wenn das laufende Geschäftsjahr deutlich schwieriger werden dürfte. Das Corona-Hilfsprogramm von Bund und Land läuft aus. Gleichzeitig verzeichnen die drei Krankenhäuser nach Jahren stetigen Wachstums seit Januar einen Patientenrückgang von rund 20 Prozent. Der Grund: Viele Menschen schieben noch immer aus Furcht vor dem Virus notwendige Eingriffe auf die lange Bank.
Politischen Gegenwind haben die Bauherren bei aller Unsicherheit dennoch nicht zu fürchten. Ganz im Gegenteil. Wachstum als Gebot der Stunde ist Konsens im Kreistag. Der Weilheimer CDU-Kreisrat Rainer Bauer warf lediglich die Frage in die Runde, ob man mit den Neubauplänen vor zehn Jahren „nicht zu kurz gesprungen“ sei. Der Erfolg der Kliniken unterstreiche die Richtigkeit des eingeschlagenen Wegs, betonte Grünen-Fraktionschefin Marianne Erdrich-Sommer und stellte fest: „Wir haben rechtzeitig unsere Hausaufgaben gemacht.“ Für die SPD-Fraktion ist die jährliche Finanzlast von rund 830 000 Euro in den kommenden 25 Jahren für die Kliniken gut zu schultern. Sprecherin Sonja Spohn untermauerte die Bedeutung einer Kita für Klinikkräfte, die derzeit noch in der Vorplanung steckt. Dass die Mediuskliniken bei der Einführung der digitalen Patientenakte eine Vorreiterrolle einnehmen, gefiel AfD-Sprecherin Kerstin Hanske: „In unseren Kliniken wird über Digitalisierung nicht nur geredet,“ stellte sie fest. „Sie wird auch umgesetzt.“

Landkreis gedenkt Corona-Opfern

Der Esslinger Kreistag hat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause den kreisweit 555 Opfern gedacht, die seit Ausbruch der Pandemie an Covid-19 oder in Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben sind. Landrat Heinz Eininger erinnerte in seiner kurzen Rede auch an die, die solidarisch eingestanden seien. An Pflegekräfte und Klinikpersonal, aber auch an jene, die während des Lockdowns ihre wirtschaftliche Existenz verloren hätten.
Bei einer kurzen Geste soll es nicht bleiben. Der Landkreis will im Kommunalwald bei Wernau eine Gedenkstätte einrichten, die dauerhaft an die Opfer der Pandemie erinnern soll. Mit Unterstützung des Kreisforstamts soll dort eine Allee mit 30 Bäumen gepflanzt werden. Sitzbänke mit Infotafeln sollen beitragen, dass die Erinnerung daran wach bleibt.
Eininger nutzte den Anlass, um angesichts der niedrigen Inzidenz vor einer Verharmlosung der Lage zu warnen. Die Infektionszahlen stiegen rasant. Bei den 75 positiven PCR-Tests in der vergangenen Woche handle es sich vor allem um Jugendliche und junge Erwachsene. Im Sommer mit vielen Reiserückkehrern drohe ein Wettlauf zwischen einer nur noch langsam steigenden Impfquote und der sich rasch ausbreitenden Delta-Variante des Virus. „Auch wenn keine Rechtspflicht besteht,“ betonte Eininger. „Impfen ist eine Bürgerpflicht.“
Inzwischen sind 45,8 Prozent der Kreisbewohner vollständig geimpft. 56,8 Prozent hat zumindest eine Impfung erhalten. Das liegt knapp über dem Landesdurchschnitt. Seit Beginn der Pandemie im Februar 2020 wurden im Kreis Esslingen 360 000 Impfungen vorgenommen. Inzwischen wird in den beiden Kreisimpfzentren in Esslingen und auf den Fildern ohne Termin geimpft. Spontan-Impfungen sind auch bei Vor-Ort-Aktionen in Städten und Gemeinden möglich. Bis Ende September ist der Impfbus der Mobilen Impfteams im Kreis unterwegs. Am Rande von Sport- und Kulturveranstaltungen hofft man, vor allem Jüngere zu erreichen.     bk