Zwischen Neckar und Alb

Erkenntnisse brauchen Zeit um zu wachsen

Abschlussausstellung der Landkreisstipendiatin Anike Joyce Sadiq in der Alten Steingießerei in Plochingen

Die Künstlerin Anike Joyce Sadiq zeigt ihre Werke zum Abschluss ihres Landkreis-Stipendiums.Foto: Elke Eberle

Die Künstlerin Anike Joyce Sadiq zeigt ihre Werke zum Abschluss ihres Landkreis-Stipendiums. Foto: Elke Eberle

Plochingen. Einen zauberhaften Augenblick, einen Moment, in dem die Welt stehen zu bleiben scheint, bannt Anike Joyce Sadiq in ihre Installation „es verschwindet, sobald wir verstummen“. Sie ist die erste der fünf Stipendiaten des Landkreises Esslingen, die in einer Abschlussausstellung in Plochingens Alter Steingießerei einen Blick zurück auf die vergangenen drei Jahre wirft.

Der große Raum ist dunkel, unheimlich. Vermischt mit dem absurd lauten Rauschen eines Gebläses tönt Musik. Über einen riesigen, silbern glänzenden Vorhang irisieren kleine Lichter, tauchen auf, verschwinden, schillernd in allen Regenbogenfarben. Personen huschen durch die unheimliche Szenerie, kaum da, schon weg, nicht zu fassen. Ein kurzer, mit dem Handy gedrehter Film ist die Grundlage der Arbeit „es verschwindet, sobald wir verstummen“.

Entstanden ist der Film im vergangenen Jahr in Florenz, Anike Joyce Sadiq war ab Februar im Rahmen eines weiteren Stipendiums zu Gast in der Villa Romana in Florenz. Straßenhändler verkauften dort auf der Straße leuchtende Flugobjekte, Sadiq filmte das Spiel mit den faszinierenden Spiel-Sternschnuppen, die beliebig oft Wünsche in die Nacht tragen können. Der Film beschäftigte sie über längere Zeit hinweg und wurde zur Folie, auf der sich weitere Ereignisse multiplizieren und konkretisieren. Wer hat dieses faszinierende, hubschrauberähnliche Objekt erfunden? Woher kommt der Traum vom Fliegen über alle Grenzen hinweg? Einige Antworten hat sie hinter dem silbernen Vorhang gebündelt, sie wirft das Zitat eines chinesischen Philosophen an die Wand, zeigt Reproduktionen von Skizzen von Leonardo da Vinci und eines mittelalterlichen Marienbildes mit Jesuskind. Jesus trägt statt Weltenkugel ein undefinierbares Flugobjekt. Parallel spielt Anike Joyce Sadiq einen Clip mit Musik von Karlheinz Stockhausen ab. Er hatte für den Siebenteiler „Licht“ unter anderem die Idee, vier Streicher in vier Hubschrauber zu setzen und sie von dort spielen zu lassen.

Anike Joyce Sadiq, 1985 geboren, studierte bei Birgit Brenner an der Stuttgarter Akademie, anschließend Intermediales Gestalten bei den Professoren Cristina Gómez Barrio und Wolfgang Mayer (Künstlergruppe Dis­coteca Flaming Star). 2012 war eine Videoarbeit von ihr im Bahnwärterhaus in Esslingen zu sehen. Im vergangenen Jahr beteiligte sie sich bei mehreren Ausstellungen in Süddeutschland, in Italien und Berlin.

Die Installation „es verschwindet, sobald wir verstummen“ wirkt monumental und surreal, befremdlich, erregend, inspirierend. Der alte Industrie-Raum scheint losgelöst aus der Zeit und seiner Geschichte. Alles ist laut und krass, die Sequenz ist kurz und wiederholt sich wieder und wieder. Sadiq befragt Künstler und Philosophen, zeigt die Vernetzung von allem mit allem, von Träumen über Kulturen hinweg, und sie spielt mit der Rolle von Akteuren und Zuschauern, und die Alte Steingießerei wird zu einem Ort der Auseinandersetzung. Denn die Installation zeigt, Erkenntnisse brauchen Zeit, um zu wachsen, und dann können wundervolle Augenblicke schon vorbei sein.

 

Öffnungszeiten: samstags und sonntags jeweils 17 bis 19 Uhr, Finissage am Sonntag, 20. März, 17 Uhr