Zwischen Neckar und Alb

Erste Hilfe für Miniatur-Loks

Technik Gerhard Walchner aus Oberesslingen repariert in seiner Werkstatt seit Jahrzehnten Modellbahnen sämtlicher Spurweiten. Von Peter Dietrich

Gerhard Walchners Werkstatt ist mit allem Nötigen ausgerüstet - vom Mikroskop über die Fräse bis zu den Ersatzteilen.Fotos: Pete
Gerhard Walchners Werkstatt ist mit allem Nötigen ausgerüstet - vom Mikroskop über die Fräse bis zu den Ersatzteilen. Foto: Peter Dietrich

Die Lok läuft nicht, die macht keinen Mucks mehr.“ So klingt die wohl häufigste Fehlerbeschreibung, mit der ein alter oder neuer Modellbahnschatz bei Gerhard Walchner landet, oft ohne genauere Angaben und Papiere. Das mit dem Mucks ändert sich bei ihm bald - dank jahrzehntelanger Erfahrung, Werkzeugen vom Schraubstock bis zum Mikroskop, Unmengen von Ersatzteilen, den nötigen Unterlagen und viel Geduld. Letztere ist oft besonders gefragt, wenn eine nicht „scheckheftgepflegte“ Lok völlig verharzt ist, komplett zerlegt und gründlich gereinigt werden muss. „Da hat jemand vielleicht sogar mit Salatöl geölt, das ist völlig falsch“, sagt Gerhard Walchner, der seit Jahrzehnten Modellbahnen aller Spurweiten repariert.

Beim Modellbahn-Reparaturservice von Gerhard Walchner in Oberesslingen - eine von ganz vielen Schubladen mit Ersatzteilen, in di
Beim Modellbahn-Reparaturservice von Gerhard Walchner in Oberesslingen - eine von ganz vielen Schubladen mit Ersatzteilen, in diesem Fall Motorteile und Zahnräder. Foto: Peter Dietrich

Ist er auch mal an einem Modell gescheitert? Ihm fällt kein einziger Fall ein. Hin und wieder muss ein Ersatzteil extra hergestellt werden. „Wenn ich etwas Anspruchsvolles habe, beiße ich mich daran fest. Ich gebe nicht so schnell auf.“ In Walchners Werkstatt werden - wenn nötig - Getriebeteile, Motoren und Haftreifen gewechselt, da wird nebenher noch ein Birnchen ausgetauscht, oder der alte mechanische Fahrtrichtungsumschalter bekommt eine neue Feder. Da wird auch mal eine Lok vom Zweileitersystem auf das Märklin-Dreileitersystem mit Schleifer oder umgekehrt umgerüstet, was durchaus technische Fantasie erfordert. Falls vom Kunden gewünscht, bekommt eine Lok auch einen komplett neuen Antrieb.

Zuhause ist Gerhard Walchner auch in der digitalen Welt. Er kooperiert unter anderem mit den Decoderherstellern Märklin, Uhlenbrock und ESU. Baut er in eine ältere Lok einen digitalen Baustein ein, teils sogar mit Lautsprecher für den Sound, muss er manchmal erst Platz dafür schaffen. Dann sind Fräsarbeiten angesagt. Die Fräsmaschine steht im Keller, die Drehbank ebenfalls. „Einmal habe ich eine Dampflok mit abgebrochenem Kamin bekommen. Weil es den nicht als Ersatzteil gibt, habe ich einfach aus schwarzem Kunststoff einen Ersatz gedreht“, erzählt er.

Eine Modellbahn
Eine Modellbahn Symboldbild

Gerhard Walchner hat zuerst Elektromechaniker gelernt, dann den Elektrotechniker draufgesetzt. Nach der Technikerschule hat er bei Hirschmann gearbeitet, 2014 ging er in den Ruhestand. Bis dahin hatte er den Reparaturservice nebenher angeboten und manchen Abend, oft zum Leidwesen seiner Frau, bis 23 Uhr in der Werkstatt verbracht. „Aber das lief meist trotzdem gut von der Hand.“

Infiziert vom Modellbahnvirus wurde er mit drei oder vier Jahren. Damals bekam er eine Fleischmann-Uhrwerkslok in Spur 0 im Maßstab 1:45, die auf dem Fußboden fuhr. Schon ein Jahr später wurde der Betrieb elektrisch, die Schlepptenderlok fuhr auf Gleisen aus Blech mit Pappschwellen. Eine zweite Lok mit D-Zug-Wagen kam hinzu, später ein Triebwagen. „Dessen Mittelteil mit dem Motordrehgestell konnte man auch alleine so richtig flitzen lassen, was bei mir Jubel auslöste - vor allem, wenn das Ding aus der Kurve flog.“ 1952 stellte Fleischmann die Spur-0-Produktion ein. „Dann machen wir eben mit Spur H0 weiter“, sagte damals der Vater. Walchner bedauert, dass sein Vater das Spur-0-Material damals hergab: Das wären heute Raritäten. Später baute Gerhard Walchner mit seinem Sohn eine neue Anlage auf. „Nach dessen Auszug war ich länger eisenbahnlos“, erinnert er sich. 1990 suchte dann ein bekanntes Esslinger Spielwarengeschäft einen neuen, selbstständigen Reparateur: die richtige Aufgabe für Gerhard Walchner. Von seinem Vorgänger übernahm er eine große Ersatzteilsammlung, dazu ordnerweise Ersatzteilblätter: „Da sind wertvolle alte Informationen dabei, die es heute nicht mehr gibt.“ Zur Weihnachtssaison 1990 ging es los: „Ich hatte plötzlich waschkörbeweise Reparaturen abzuholen“, erinnert er sich.

Heute kommen viele Kunden direkt zu ihm. „Durch die Ausstellungen des Modelleisenbahn-Clubs Esslingen (MEC) wurde ich bekannt“, sagt er. Dort repariert er soweit möglich sogar live vor Ort. Seit Juni 1996 gehört er zum MEC, kümmert sich auch dort um Loks und Wagen. Seine Fähigkeiten haben sich übrigens herumgesprochen: Päckchen kommen aus ganz Deutschland zu ihm.

Seine eigene Spur-N-Anlage ist schon längere Zeit im Bau. Bis sie fertig ist, wird es allerdings noch etwas dauern: Es kommen halt immer Reparaturen dazwischen.

Nähere Informationen gibt Gerhard Walchner telefonisch unter 07 11/3 16 04 93 oder per E-Mail g.walchner@t-online.de