Zwischen Neckar und Alb

„Es zeigt, wie verwöhnt wir hier sind“

Keime Zahnärzte sagten Termine ab, Restaurants und Pflegeheime mussten sich mit Sprudel behelfen – diese und weitere Konsequenzen hatte das schlechte Wasser in Köngen, Wernau und Deizisau. Von Roland Kurz

Bauhofmitarbeiter Siegfried Gesierich stellt am Hochbehälter Rot die Dosierung der Chlormenge ein. Das Desinfektionsmittel sorgt
Bauhofmitarbeiter Siegfried Gesierich stellt am Hochbehälter Rot die Dosierung der Chlormenge ein. Das Desinfektionsmittel sorgt dafür, dass keine Verunreinigungen zurückbleiben. Foto: Roberto Bulgrin

Entwarnung: Das Trinkwasser in Deizisau, Köngen und Wernau kann wieder ohne Einschränkung genutzt werden. Seit Freitagnachmittag musste in diesen drei Gemeinden das Wasser, das zur Speisenbereitung dient, abgekocht werden. Die Ursache für die Verunreinigung mit Keimen konnte die Landeswasserversorgung jedoch nicht klären.

Auf die Entwarnung hatten ungefähr 22 000 Bürger gewartet und insbesondere jene Betriebe, die Trinkwasser benötigen, um ihre Arbeit zu erledigen. Gastronomen haben sich mit Mineralwasser beholfen. Zahnarztpraxen hingegen waren weitgehend lahmgelegt.

Der Wernauer Zahnarzt Kai Landenberger musste vielen Patienten absagen. Weder Wurzelbehandlungen, bei denen mit Wasser gekühlt wird, noch die normale Zahnreinigung, bei der man den Mund ausspült, waren möglich. Das Zahnarzt-Team beschränkte sich auf trockene Kontrollen und das Aufarbeiten von bürokratischem Kram.

Das Coca-Cola-Werk ist der größte Wasserverbraucher Deizisaus. Die Verunreinigung stellte den Getränkehersteller jedoch vor keine größeren Probleme. Das Trinkwasser werde im Betrieb immer aufbereitet, erklärte Pressesprecherin Christina Witt. Danach untersuche man es mikrobiologisch. Diese Untersuchungen habe man in den vergangenen Tagen „deutlich engmaschiger“ durchgeführt. Laut Witt waren alle Proben keimfrei.

Im Pflegeheim St. Lukas in Wernau sah Küchenchefin Kerstin Sehne das Thema relativ entspannt. Am Wochenende sei das Problem noch gar nicht aufgetaucht, weil mit dem Verfahren „cook & chill“ für zwei Tage vorgekocht war. Am Montag und Dienstag hat die Küche dann „alles abgekocht, was wir brauchen“. Salat stand erst am Mittwoch wieder auf dem Speiseplan. Um diesen kalt zu waschen, wurden schon am Dienstag etliche Töpfe Wasser abgekocht. Den Heimbewohnern wurde Sprudel hingestellt, um ihre Zähne zu putzen oder die Prothesen zu reinigen.

Vorfall regt zum Nachdenken an

Das Hotel-Restaurant Schwanen in Köngen stellte etliche Vorgänge um. Kaffeemaschine und Eismaschine sind direkt ans Wassernetz angeschlossen. Immerhin hatte man noch eine Kaffeemaschine mit Tank auf Lager. Die alten Eiswürfel ließ Chefin Nicole Domon wegkippen und besorgte dafür abgepackte Würfel. Den Salat kaufte das Restaurant in der kritischen Zeit vorgewaschen. Alle Hotelgäste wurden auf das Thema hingewiesen und erhielten stilles Wasser aufs Zimmer. Ein einziger Gast, so erzählt Domon, sei abgereist. Er habe irgendwann mal schlechte Erfahrungen mit einer bakteriell verursachten Erkrankung gemacht. Nicole Domons Vater dagegen hat bewusst das Leitungswasser getrunken - ihm ist nichts passiert. Trotz des großen Aufwands sieht die Schwanen-Chefin die Geschichte eher als Anstoß, nachdenklich zu werden. „Es zeigt, wie verwöhnt wir hier sind und gutes Wasser als etwas Selbstverständliches betrachten.“

Und wie reagieren Tiere auf das verunreinigte Wasser? Der Berghof in Deizisau hält mehrere Tausend Hühner. „Für die kochen wir das Wasser nicht ab“, sagt Christoph Eberhardt und wundert sich etwas über die Nachfrage. „Draußen sind die Hühner ja auch allerhand Umwelteinflüssen ausgesetzt.“

Am Dienstagnachmittag war das Problem erledigt. Nachdem an den Zuläufen zu den örtlichen Hochbehältern und am Verteiler Egart einwandfreies Wasser festgestellt wurde, gab das Gesundheitsamt Entwarnung. Die Ursache habe man nicht klären können, teilte Bernhard Röhrle, der Sprecher der Landeswasserversorgung (LW) mit. Vermutlich sei der Störfaktor aus dem Netz geschwemmt worden. Am Behälter Egart, wo die Verunreinigung wohl ihren Ausgangspunkt hatte, seien keine Auffälligkeiten festgestellt worden, obwohl man beide Kammern entleert und kontrolliert habe.

Mit Nachfragen, ob der Mehraufwand und unnötige Personalkosten ersetzt werden, ist die LW bereits konfrontiert worden. Röhrle empfiehlt den Betroffenen, sich an ihre Gemeindeverwaltung zu wenden.

Den Chlorgehalt im Wasser werde man im Laufe der nächsten Tage wieder zurückfahren. Er sorge noch dafür, dass im Leitungsnetz keine Verunreinigungen zurückbleiben und bewege sich im zulässigen Rahmen und sei gesundheitlich unschädlich.