Zwischen Neckar und Alb
Esslinger Initiative wird 25 Jahre alt

Alter Der Verein, der sich für selbstbestimmte Vorsorge einsetzt und jährlich rund 1000 Menschen berät, besteht seit einem Vierteljahrhundert. Von Barbara Scherer

Wer bestimmt, wie meine letzte Lebensphase aussehen soll? Wer entscheidet über medizinische Eingriffe oder deren Unterlassung? Fragen wie diese sollte sich jeder frühzeitig stellen, auch junge Männer und Frauen. Das ist der Ansatz des Esslinger Vereins Esslinger Initiative, der seit 25 Jahren Beratungen zu Patientenverfügungen, Vollmachten und Betreuungen anbietet.

„Vor 25 Jahren wurde klar, dass die letzte Lebensphase für Schwerkranke nicht genug Beachtung findet“, sagt Ulrike Wortha-Weiß mit Blick auf den Start der Initiative. Sie ist die Vorstandsvorsitzende des Vereins, leitende Oberärztin der Geriatrie im Klinikum Esslingen und damit eine der Experten aus Medizin, Recht und Sozialem, die den Verein begleiten. Die Initiative wollte zu Beginn eine qualifizierte Vorsorge-Verfügung auf den Weg bringen. „Dazu bedurfte es qualifizierter Vorsorge-Musterpapiere sowie kompetenter Beratungen“, betont Joachim Middendorf, der selbst Beratungen durchführt. „Informationen über Vorsorge sind immer noch hoch defizitär“, sagt Wortha-Weiß. „Es ist nicht so, dass der Ehepartner automatisch entscheidet, wie es mit Partner oder Partnerin am Ende weitergeht. Kann ein Kran­ker oder eine Sterbende nicht mehr selbst entscheiden, muss das Amtsgericht eine gesetzliche Betreuung anordnen.“ Ingrid Schwörke ist Gründungsmitglied und Beraterin. Ihr fällt auf, dass sich fast nur ältere und alte Menschen dem Thema nähern. Sie spricht die Kinder, die ihre Eltern zu so einem Beratungstermin begleiten, direkt auf eine Vorsorge an. „Wollen Sie denn, dass fremde Leute darüber entscheiden, wie es mit Ihnen zu Ende geht? Oder wollen Sie Ihren Nächsten zumuten, für Sie zu entscheiden, ohne dass die Ihre Wünsche kennen?“, fragt sie dann.

 

„Sie unterschreiben mit der Patientenverfügung nicht Ihr Todesurteil.
Joachim Middendorf
Berater bei der Initiative
 

Middendorf will mit Vorurteilen aufräumen. Auch wenn man in jungen, gesunden Jahren eine Ernährung über eine Magensonde ablehne, könne man dies jederzeit und auch im akuten Fall ändern. Middendorf: „Sie unterschreiben mit der Verfügung nicht Ihr Todesurteil.“ Wenn Verwandte zu Betreuungspersonen bestellt werden, stünden diese im akuten Entscheidungsfall auch nicht allein da. Ulrike Wortha-Weiß verweist dafür auf die Empfehlungen des Ethik-Komitees, das mittlerweile in fast jedem Krankenhaus installiert sei.

Der Verein hat nicht nur Beratungen und Drucksachen zum Thema hervorgebracht. Die Aktivitäten haben auch das Ethik-Komitee angeschoben, einen Runden Tisch zur Verbesserung palliativer Versorgung angestoßen oder die Einrichtung eines unabhängigen Patientenfürsprechers in Kliniken erreicht, wie Middendorf sagt.

Im Lauf der 25 Jahre wurden 1500 Menschen zu Beratern ausgebildet, die an 60 Beratungsstellen in 40 Kommunen in Baden-Würt­temberg tätig sind. Jedes Jahr nehmen etwa 1000 Menschen die Beratungen wahr. Der Verein sucht weitere Personen, die sich zu Beratern ausbilden lassen wollen.

Mehr Informationen zur Arbeit des Vereins gibt es unter www.esslinger-initiative.de