Zwischen Neckar und Alb
Esslinger Synagoge feiert 200. Geburtstag

Religion Das Jubiläum des Gebetshauses wird in diesem Jahr groß gefeiert. Mit einer Spende über 5 000 Euro unterstützt die Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen die jüdische Gemeinde. Von Dagmar Weinberg

Sie hatten sich zwar über beide Ohren verschuldet - die Mitglieder der jüdischen Gemeinde, die Anfang des Jahres 1819 das ehemalige Zunfthaus der Schneider im Heppächer gekauft und es zur Synagoge umgebaut hatten. Doch liefen sie fortan nicht mehr Gefahr, dass ihnen - wie im Jahr zuvor geschehen - der gemietete Betsaal gekündigt werden konnte. In dem stolzen Fachwerkhaus mitten in der Altstadt feierte die jüdische Gemeinde fast 120 Jahre lang ihre Gottesdienste, bis das Gebäude am frühen Nachmittag des 10. November 1938 von einem aufgeputschten Mob gestürmt wurde.

Nach einer von der Esslinger NSDAP auf dem Marktplatz initiierten Kundgebung „gegen die Juden“ waren zahlreiche Männer aus der Stadt und aus Esslinger Betrieben in den Heppächer marschiert. Sie zerstörten die Einrichtung der Synagoge, schleppten Bücher, Dokumente und Kultgegenstände nach draußen und verbrannten sie dort. „Die Synagoge wurde damals nur deshalb nicht angezündet, weil man Angst um die Esslinger Altstadt hatte“, sagt Wolfgang Drexler, Sprecher des Unterstützerkreises jüdische Kultur Esslingen. Um der jüdischen Gemeinde zu einer neuen Thorarolle zu verhelfen, hatten sich im Frühjahr 2015 unter der Ägide des damaligen Landtagsvizepräsidenten Esslinger Vereine, Kultureinrichtungen, Organisationen sowie Kirchen und Moscheevereine zu einem breiten Bürgerbündnis zusammengeschlossen. Am Ende kamen durch den Unterstützerkreis sowie viele Spenden von Privatpersonen aus der Stadt und der Region mehr als 40 000 Euro für die neue Schriftrolle zusammen. Der Unterstützerkreis wird nun wieder aktiv. Denn das 200-jährige Jubiläum der Esslinger Synagoge wird in diesem Jahr groß gefeiert. „Es ist ein sehr seltenes Ereignis, dass eine Synagoge in Deutschland 200 Jahre überdauert hat“, sagt Wolfgang Drexler. Deshalb ist es für ihn und seine Mitstreiter selbstverständlich, dass der Unterstützerkreis mit dabei ist, wenn die Esslinger Gemeinde und die Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW) den runden Geburtstag feiern. Auch von der Stadt Esslingen kommt im Jubiläumsjahr Unterstützung.

„Gerade angesichts der auch in Baden-Württemberg zunehmenden antisemitischen Straftaten ist es wichtig, zu zeigen, dass unsere jüdischen Mitbürger in unsere Mitte gehören“, erklärt der frühere SPD-Landtagsabgeordnete. Das sieht man auch bei der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen so. „Das Judentum und die Esslinger Synagoge sind bis heute ein wichtiger und lebendiger Bestandteil der Esslinger Gesichte“, sagte Landrat Heinz Eininger, als er jetzt in seiner Funktion als Vorsitzender des KSK-Verwaltungsrats gemeinsam mit dem KSK-Vorstandsvorsitzenden Burkhard Wittmacher einen Scheck über 5 000 Euro an Wolfgang Drexler sowie Susanne Jakubowski, Vorstandsmitglied der IRGW, und Elena Braginska, Esslinger Mitglied in der Repräsentanz der IRGW, überreichte. Gerade wegen der schrecklichen Ereignisse bei den Novemberpogromen im Jahr 1938 müsse man sich dem Thema Religionsfreiheit und Toleranz stellen, unterstrich der Landrat. „Wir dürfen diese schreckens­volle Vergangenheit nicht verschweigen und müssen mehr denn je daran erinnern. Unsere Spende soll ein Zeichen dafür sein.“

Für das Jubiläumsjahr wurde eigens ein Signet entworfen, auf dem die Synagoge zu sehen ist, die von einem Davidstern in den Esslinger Stadtfarben umrahmt wird. Dieses Logo ziert auch den Veranstaltungskalender. Alleine im ersten Halbjahr stehen 15 Veranstaltungen auf dem Programm, bei denen erneut Esslinger Kultureinrichtungen, Vereine, städtische Einrichtungen, Organisationen und Einzelpersonen aktiv werden. Neben Vorträgen, Lesungen, Theaterstücken, Konzerten und Filmabenden wird es natürlich auch Führungen durch die Synagoge geben. Der Höhepunkt des ersten Halbjahres wird freilich die zentrale Festveranstaltung zum 200-jährigen Jubiläum der Synagoge sein. „Es ist toll, was die Beteiligten wieder auf die Beine gestellt haben“, sagt der Sprecher des Unterstützerkreises, der hofft, dass auch in den Esslinger Schulen die jüdische Geschichte der Stadt Thema sein wird. „Es gibt ein Angebot an alle Schulen, dass sie zum Geschichtsunterricht in die Synagoge kommen können.“