Zwischen Neckar und Alb

Esslinger Weingärtner freuen sich über die Reptilien

Neubaustrecke Was steckt in den Kosten der Eidechsenumsiedlung, und warum geht es nur manchmal billiger?

Foto: Peter Dietrich
Foto: Peter Dietrich

Kreis Esslingen. Insgesamt 15 Millionen Euro, so war an manchen Stellen zu lesen, koste die Umsiedlung der Eidechsen im Rahmen von Stuttgart 21. Eine Zahl, die beim Pressetermin in Oberboihingen nicht zu Ohren kam. Deshalb die Nachfrage bei der Bahn: Woher kommt diese Angabe? „Das habe ich mich auch gefragt, ich habe das nicht gesagt“, sagt der Bahnsprecher, der den Pressetermin organisiert hatte. Ja, die Deutsche Bahn investiere bei Stuttgart 21 insgesamt einen zweistelligen Millionenbetrag in den Artenschutz. Aber das gelte insgesamt, für alle Tiere und Pflanzen.

Die Umsiedlung einer Eidechse gibt die Deutsche Bahn mit 2 000 bis 4 000 Euro an. Es geht zuerst um das Absammeln, das von Fachpersonal durchgeführt wird. Dem Absammeln gingen - auch das ist einberechnet - Gutachten voraus. In einer detaillierten Kartierung wurde festgehalten, an welchen Stellen wie viele Tiere leben und wo nicht. Dennoch gab es Überraschungen, denn Eidechsen sind sehr mobil und halten sich nicht an menschliche Kartierungen. So waren sie plötzlich in größerer Zahl und auch in anderen Lebensräumen zu finden, als laut der vorherigen Kartierung erwartet.

Rund fünf Hektar Land hat die Bahn für die Umsiedlung gekauft oder gepachtet, diese Summe ist in der Kalkulation ebenso mit drin, wie die Aufwertung dieser Flächen mit Steinriegeln, Sandlinsen, altem Geäst und Schutzzäunen. Nach einem Jahr, wenn sich die Eidechsen an ihr neues Domizil gewöhnt haben, werden diese Schutzzäune wieder entfernt. Einkalkuliert ist auch ein fünfjähriges Monitoring. Viermal im Jahr, sagt der Bahnsprecher, gehe ein Fachmann ins neue Habitat und zähle die Eidechsen, schaue wie es ihnen geht. Bei Bedarf werde nachgebessert.

Nicht einkalkuliert ist hingegen die 30-jährige Pflege der neuen Habitate, zu der sich die Bahn verpflichtet. Wer will auch heute verlässlich kalkulieren, was das Mähen einer Wiese bis ins Jahr 2047 kosten wird? Ebenfalls nicht einberechnet, sagt der Bahnsprecher, seien Mehrkosten durch Bauverzögerungen, die durch den Artenschutz entstehen. Bei einzelnen Baumaßnahmen können das laut Bahn bis zu 18 Monate sein.

Geht das alles nicht günstiger? Ja, in manchen Fällen durch eine Zusammenarbeit. Einige Mauereidechsen will die Bahn in den Esslinger Weinbergen ansiedeln, derzeit läuft dazu das Planfeststellungsverfahren beim Eisenbahn-Bundesamt (EBA). Die Trockenmauern sind bereits vorhanden, die Weingärtner freuen sich über einen Zuschuss der Bahn zu deren Pflege und Erhalt, eine für beide Seiten vorteilhafte Vereinbarung. „Die Eidechsen sind herzlich willkommen bei uns“, sagt Albrecht Sohn, Vorstandsvorsitzender der Esslinger Weingärtner. Er kennt aber die Bedenken von Naturschützern, ob die neuen Eidechsen sich mit den bisherigen Bewohnern der Esslinger Trockenmauern vertragen.

Manche Bahnfahrer mögen sich über Folien entlang der Strecke wundern, solche Folien sind auch am nördlichen Eingang von Oberboihingen zu sehen. Sie dienen dazu, die Eidechsen zu vertreiben. Auch das ist eine kostengünstige Lösung. Sie ist aber nur bei kleinräumigen Bauarbeiten, etwa an der Trasse oder den Signalen, möglich. Diese Lösung hilft auch nur dann, wenn es für die Tiere in der Nähe alternative Lebensräume gibt, in die sie ausweichen können.Peter Dietrich