Zwischen Neckar und Alb

Esslingerin rettet Tiere in Not

Ehrenamt Sechs Jahre ist es her, dass Anette Lampart ihrem ersten Igel wieder auf die Sprünge half. Seitdem hat sie zahlreiche Igel, Vögel und Siebenschläfer in Not liebevoll wieder aufgepäppelt. Von Simone Weiß

Hungrige Vogel-WG: Wenn die 49-jährige Esslingerin Anette Lampart mit dem Futter kommt, dann reißen ihre Schützlinge den Schnabe
Hungrige Vogel-WG: Wenn die 49-jährige Esslingerin Anette Lampart mit dem Futter kommt, dann reißen ihre Schützlinge den Schnabel ganz weit auf.Fotos: Roberto Bulgrin

Soll er „Stachel“ oder „Putzi“ heißen? Viel zu langweilig. Für ihr allererstes Pflege-Igel-Baby wollte Anette Lampart einen originellen Namen finden. Und den fand sie auch. „Ilsebill“ taufte sie das kleine Wesen - in Anlehnung an die Hauptfigur im Märchen „Der Fischer und seine Frau“ von den Gebrüdern Grimm. Und „Ilsebill“ hat sie mit viel Mühe, Einsatz und Liebe wieder aufgepäppelt, wie viele andere Tiere auch.

Seit 2013 kümmert sich die 49-Jährige aus Esslingen-Zell um verletzte Igel und deren verlassene Jungtiere, vor fünf Jahren kamen Vögel hinzu, und seit Kurzem gehören auch Siebenschläfer zu ihren Patienten. Für Anette Lampart ist der ehrenamtliche Einsatz für bedrohte Tiere ein Dienst an der Umwelt und der Natur, der ihr viel Freude macht, der sie aber auch oft an ihre Grenzen bringt. Doch, so erklärt sie voll frischem Optimismus, wenn Jungtiere ihren Schnabel weit, ganz weit aufreißen, um von ihr gefüttert zu werden, dann wird jede Müdigkeit oder Unlust im Keim erstickt.

Gefiederte Sorgenkinder

Käfige, verpacktes Tierfutter, Tierbücher, Fressnäpfe - bereits die Vorräume im Keller des Elternhauses von Anette Lampart weisen auf eine Tierfreundin hin. Am Ende der Zimmerflucht hat sie in einem weiteren Raum ihre „tierische“ Krankenstation eingerichtet. An der Wand hängt ein Kalender mit Vogelbildern. Klar - was auch sonst? Denn derzeit hat sie keine Igel oder Siebenschläfer in ihrer Obhut. In den artgerechten „Textilkäfigen“ tummeln sich extrem hungrige Vögel. Ein Amsel-, zwei Spatzen- und ein Meisenbaby reißen die Schnäbel weit, sehr weit auf - in der berechtigten Hoffnung auf Futter. Daneben sind erwachsene und daher etwas ruhigere Spatzen untergebracht, und am Tisch gegenüber, ebenfalls in einem „Textilkäfig“, warten zwei Elstern auf ihre Genesung. Sie sind an Anette Lampart gewöhnt: Sie kann sie herausholen, füttern und sogar streicheln. Doch es ist eine geborgte Nähe auf Zeit. Denn sobald die Tiere fit genug sind, werden sie in die Freiheit entlassen. „Es sind Wildtiere, deren Haltung verboten ist“, klärt Anette Lampart auf. Doch abgesehen von der Gesetzeslage: Es ist für sie eine Herzensangelegenheit, die Tiere in ihre natürliche Umgebung zu entlassen.

Hobbys? Da zuckt Anette Lampart mit den Schultern und zeigt auf die Käfige mit den Vögeln. Abgesehen von ihren gefiederten Sorgenkindern hat sie sich im Vorjahr um insgesamt 147 Igel gekümmert. Sie werden oft in einem miserablen Zustand zu ihr gebracht. Sie ist bekannt, die Menschen kennen sie, denn sie wird im Internet als Igelauffangstation genannt - über mangelnden Zuspruch kann sie sich also nicht beklagen. Wenn Menschen mit einem verletzten Tier zu ihr kommen, dann versucht sie auch, „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu geben. Sie versorgt die Finder mit Tipps, damit sie sich selbst um die Schützlinge kümmern können. Ist das nicht möglich oder wird das nicht gewünscht, dann nimmt sie die Schutzbedürftigen meist selbst auf. Tierbabys werden mit der Hand aufgezogen, brauchen manchmal alle zwei bis drei Stunden Futter. Für die Verletzten kann sie verschiedene Hilfsdienste anbieten - Infusionen legen, Medikamente verabreichen, eine Wurmkur machen, Wunden säubern. Für ganz schwere Fälle hat sie eine Tierärztin im Hintergrund, die hilfreich einspringt. Ihr Know-how hat sich Anette Lampart angelesen, sie hat sich zur Tierheilpraktikerin weitergebildet, Erfahrung durch „Learning by doing“ gesammelt. Geholfen hat ihr aber auch ihre langjährige Arbeit bei einem Tierarzt.

24-Stunden-Job

Ihr Ehrenamt ist für Anette Lampart in Hochphasen ein 24-Stunden-Job. Aber sie hat ein funktionierendes Netzwerk aus Helfern, die einspringen, wenn sie mal Urlaub machen möchte. Die gelernte Bürofachhelferin ist nicht berufstätig. Darum, erklärt sie, kann sie sich auch ganz ihrer „tierischen“ Aufgabe widmen. Finanzielle Unterstützung für die Versorgung der Tiere erhält sie dabei vom Tierheim Esslingen und verschiedenen Vereinen, ihr eigener Einsatz ist kostenlos. Aber nicht umsonst. Viele Tiere hat sie wieder auf die Beine gebracht. Doch manchmal hilft die beste Pflege nichts: Traurig erzählt sie von einem Igel, um den sie sich monatelang gekümmert und der gute Fortschritte gemacht hatte. Doch am Ende musste er doch eingeschläfert werden, weil ein Überleben nicht möglich gewesen wäre. „Das gehört zum Leben“, meint Anette Lampart. Doch Zeit zum Sinnieren bleibt ihr nicht. Die aufgeregte Vogel-WG aus Amsel, Meise und Spatz mit den aufgerissenen Schnäbeln fordert ihre ganze Aufmerksamkeit - und jede Menge Futter.

 

Infos gibt es bei Anette Lampart unter der Telefonnummer 01 74/9 68 19 55.

Auch Igel und Siebenschläfer gehören zu den Patienten von Anette Lampart.
Auch Igel und Siebenschläfer gehören zu den Patienten von Anette Lampart.

Tipps der Tierflüsterin

Aus dem Nest gefallen: Für den Umgang mit Wildtieren hält Anette Lampart einige Tipps parat. Wer einen Jungvogel außerhalb des Nests entdeckt, sollte nicht sofort aktiv werden, sondern erst einmal die Lage checken. Denn nicht alle Vogelbabys außerhalb des „Kinderzimmers“ sind hilflos. „Ästlinge“ etwa sind zwar noch klein und wirken schutzbedürftig. Doch in Wirklichkeit werden sie gerade flügge und machen ihre ersten Schritte hin zum Erwachsenendasein. Doch bis dahin werden sie noch von den Altvögeln versorgt. Ein menschlicher Einsatz ist also nicht nötig.

Auf Hilfe angewiesen: Anders sieht es mit den „Nestlingen“ aus - nackte oder schwach gefiederte Jungvögel, die außerhalb des Nests hilflos sind. Sie würden ohne menschliche Unterstützung umkommen. Daher rät Anette Lampart, erst einmal die Situation zu beobachten, zu sehen, ob ein Altvogel in der Nähe ist oder ob das Tier tatsächlich allein ist - und dann erst aktiv zu werden. Ihr Tipp: „Nestlinge können auch wieder ins Nest zurückgelegt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass man weiß, aus welchem Nest das Vögelchen gepurzelt ist.“

Transport im Karton: Für den Transport von verletzten Vögeln, Igeln oder Siebenschläfern empfiehlt Anette Lampart den Einsatz eines schmalen Kartons. Das Tier sollte, in ein Handtuch eingewickelt, in die Mitte des Kartons gelegt werden. Links und rechts können dann Wärmflaschen oder mit heißem Wasser gefüllte Glasflaschen eingesteckt werden. So hat es das Tier schön warm. Allerdings sollte auch darauf geachtet werden, so die Fachfrau, dass das Tier während des Transports in einer warmen, weichen Mulde liegt und nicht von den Flaschen erdrückt wird.

Keine Kuhmilch für Igel: Anette Lampart kennt zudem eine lebensnotwendige Regel: Vögeln darf nie bei offenem Schnabel Wasser zugeführt werden! Denn in dem weit aufgerissenen Schlund des Tiers befindet sich die Öffnung für die Luftröhre. Gerät hier Wasser hinein, droht der Erstickungstod des gefiederten Patienten. Sinnvoller ist es in diesem Fall, dem Tier den geschlossenen Schnabel mit Wassertropfen zu benetzen. Zur Überbrückung können außerdem Mücken gefüttert werden. Und Igel, ergänzt Lampart, dürfen in keinem Fall Kuhmilch trinken.sw