Zwischen Neckar und Alb
Extremismus: Kreis Esslingen schärft Blick für Demokratie

Bündnis Der Landkreis Esslingen wird zum Vorreiter im landesweiten Aktionsprogramm, das an der Basis für Toleranz und Rechtsstaatlichkeit wirbt. Die AfD will dem nicht folgen. Von Bernd Köble

Esslingen hat in den vergangenen Tagen der jüdischen Mitbürger gedacht, die ab 1941 von den Nazis aus der Stadt in Vernichtungslager deportiert wurden. Um das Bewusstsein dafür wachzuhalten, was Demokratie und Toleranz bedeutet und welchen Wert dies in einer freien und aufgeklärten Gesellschaft hat, will sich der Landkreis Esslingen als erster in Baden-Württemberg am landesweiten Aktionsprogramm zu diesem Thema beteiligen. Dabei hofft der Kreis auch auf Mittel aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben“.

In Zeiten wachsender Feindseligkeit gegen die Autorität des Staates, gegen anderes Denken und andere Kulturen will das Bündnis sensibilisieren und jeder Form von Extremismus vorbeugen. Nicht durch Einzelaktionen, sondern erstmals in Form eines ganzheitlichen Konzepts und mit verschiedensten Partnern in den Städten und Gemeinden. „Wenn diese Arbeit nicht vor Ort stattfindet, findet sie gar nicht statt“, sagt Michael Blume, seit 2018 Antisemitismusbeauftragter der Landesregierung. Der 44-jährige Religionswissenschaftler hofft, dass der Kreis Esslingen damit zum Vorbild für andere Landkreise wird.

Für Blume ist es keine Zufalls­partnerschaft, die hier entsteht. Der Kreis Esslingen nahm 2015 bereitwillig ein Sonderkontingent jesidischer Frauen auf, die im Irak zu Gewaltopfern von Kämpfern des Islamischen Staats geworden waren. Damit unterstützten Kreistag und Verwaltung den Kurs der Landesregierung. Gleichzeitig ist die 37-jährige Partnerschaft des Landkreises mit der israelischen Stadt Givatayim älter als die Beziehungen der Bundesregierung mit dem Staat Israel. Ähnlich enge Beziehungen pflegt der Kreis auch mit Partnern im polnischen Pruszkow, wo ebenfalls die Aussöhnung mit den ehemaligen Opfern der Nazi-Diktatur und deren Nachkommen ein zentrales Thema ist.

Für den Esslinger Landrat Heinz Eininger geht es nun darum, „passgenaue Themen für uns voranzutreiben.“ Was das genau heißt und welches die ersten Eckpunkte im Programm sein werden, will die Verwaltung im Oktober im Kreistag vorstellen. Demokratie und Toleranz seien die Grundbedingungen des Zusammenlebens in Freiheit und Rechtsstaatlichkeit, stellt Eininger fest. „Dabei kennt Rechtsstaatlichkeit weder links noch rechts.“

„Auf dem linken Auge blind“

Das sehen politische Kräfte im Kreistag offenbar anders. Zwar fand die Beteiligung am Aktions­programm, die auf einen Antrag von SPD und den Linken zurückgeht, eine breite Mehrheit im Sozialausschuss. Vertreter der AfD-Fraktion und der ­Republikaner Ulrich Deuschle verweigerten dagegen ihre Gefolgschaft. Den Bürgerinnen und Bürgern im Kreis ihre demokratische Zuverlässigkeit abzusprechen, komme einer Beleidigung gleich, befand Deuschle. AfD-Sprecherin Kers­tin Hanske warf den Antragstellern vor, auf dem linken Auge blind zu sein. Der Landkreis drifte immer weiter nach links ab. Dabei würde die deutliche Mehrzahl an Straftaten wie Brandstiftung und Gewalt gegen Sachen von Tätern aus der linken Szene verübt. Marc Dreher (Linke) konterte mit Fakten: Seit 1990 seien von Rechtsextremen bundesweit 208 registrierte Morde verübt worden, während vier Tötungsdelikte auf das Konto von Linksextremisten gingen. Für Dreher ist deshalb klar, aus welcher Richtung dem Rechtsstaat die Hauptgefahr droht. „Dass es im Kern um Rechtsextremismus geht, wird im Verwaltungsantrag verwässert“, kritisierte Dreher.