Zwischen Neckar und Alb

Fällt die Anklage milder aus?

Messerstecherei 21-jähriger eifersüchtiger Mann wollte seinen Freund möglicherweise gar nicht umbringen.

Wendlingen. Kommt der 21-Jährige, der in Wendlingen seinen besten Freund mit zwei Messerstichen schwer verletzt hat, in eine geschlossene psychiatrische Einrichtung? Am Stuttgarter Landgericht geht es um den Vorwurf eines versuchten Tötungsdelikts, Beleidigung und Bedrohung.

Am gestrigen vierten Verhandlungstag wurden die vorläufig letzten Zeugen vernommen, um den Tatablauf vom 3. Dezember darzustellen. Damals wurden in Wendlingen die Stände des Weihnachtsmarktes aufgestellt. Die Tat soll sich zwischen Verkaufsbuden und arbeiteten Männern abgespielt haben. Als unmittelbare Tatzeugen hatten die Richter der Stuttgarter Schwurgerichtskammer bereits diese Arbeiter vernommen.

Ob der 21-jährige Angeklagte im rechtlichen Sinne tatsächlich den möglichen Tod des Opfers in Kauf genommen hat, steht zur Diskussion. Eine rechtsmedizinische Sachverständige hat gestern ausgeführt, dass die beiden Messerstiche zwar die Kleidung des Opfers durchstießen und einer davon in die Flanke eindrang. Dabei sei die Klinge bis zu sieben Zentimeter ins Muskelgewebe gestochen worden. Der zweite Stiche habe aber nur eine vier bis fünf Zentimeter tiefe Wunde im Becken verursacht. Beide Verletzungen hätten den Bauchraum nicht eröffnet. Erst dann müsse man Lebensgefahr annehmen. Im vorliegenden Fall sei eine lebensbedrohende Situation nicht gegeben gewesen, trotz der Durchtrennung des seitlichen Bauchmuskels.

Cannabis spielte eine Rolle

Möglicherweise rückt die Anklagebehörde vom Vorwurf des versuchten Totschlags ab und ändert die Anklage auf gefährliche Körperverletzung. Entscheidend ist noch die Einschätzung des psychiatrischen Gutachtens, das sich mit der Drogensucht des Angeklagten zur Tatzeit befasst. Nach ersten Untersuchungen wurden bei ihm zwei Tage nach der Tat Cannabis-Rückstände entdeckt. Einer Alkoholkontrolle hatte er sich damals widersetzt. Ob er im Drogenrausch handelte, darüber soll die Gutachterin Ausführungen machen und feststellen, ob verminderte Schuldfähigkeit vorliegt.

Wesensfremd scheinen Gewalttaten für den Angeklagten nicht zu sein. Laut Vorstrafenregister hat er im Juli in einer Wendlinger Asylunterkunft ohne Grund plötzlich einem Mitbewohner einen Fausthieb ins Gesicht verpasst. Im Zuge eines Täter-Opfer-Ausgleichs wurde das Verfahren jedoch vom Amtsgericht Nürtingen eingestellt. Er hatte sich entschuldigt und 15 gemeinnützige Arbeitsstunden akzeptiert. Die konnte er nicht ableisten, da er im vorliegenden Fall in Untersuchungshaft kam. Der Prozess geht am 7. Juni weiter. Bernd Winckler