Eine Hommage an Otto Hofmann. Das Freilichtmuseum Beuren hat den Kirchheimer Berufsfotografen auf besondere Weise in den Fokus gerückt. Jeder kann sich wie vor hundert Jahren selbst in Szene setzen und unter dem Motto „Posen wie früher“ fotografieren lassen. In der Scheuer aus Gärtringen hängt - extra für diesen Zweck bei den Kulissenbauern des Stuttgarter Staatstheaters in Auftrag gegeben - die berühmte Teck-Leinwand, die schon Hermann Hesse und seinem Kirchheimer Freundeskreis 1899 als dekorativer Hintergrund diente. Das Original hat Otto Hofmann einst selbst gemalt. Sie zeigt den Blick auf Kirchheim und die Teck vom Dreikönigskeller auf der Notzinger Steige aus gesehen. Damals schmückte noch kein Teckturm die Bergspitze, der wurde erst später noch mit Bleistift eingezeichnet.
Posieren mit Stil ist für die Museumsbesucher angesagt, es stehen genügend Requisiten aus dem Museumsdepot zur Verfügung: Sonnenschirm für die Dame und Spazierstock für den Herrn, Puppe und Steckenpferd für die Kleinen, Leiterwägele und Milchkännle - und vieles mehr. Inspiration können sich die Kurzzeit-Models zuhauf holen. Zahlreiche Fotografien sind in der Scheune ausgestellt und geben Einblick in die Inszenierungen, die Otto Hofmann in seinem Tageslichtatelier in Kirchheim in den Jahren von 1889 bis 1948 arrangierte, und das nun nur einen Steinwurf von der Scheuer entfernt auf dem Museumsgelände besichtigt werden kann.
Museumsleiterin Steffi Cornelius ist stolz auf das Gebäude und zeigt es bei Führungen gerne ihren Gästen: „Das ist was Besonderes, das ist unser Alleinstellungsmerkmal“, weiß sie um die Bedeutung dieses Schatzes, denn das Tageslichtatelier ist eines der Letzten seiner Art in Europa. Vor 100 Jahren war das ganz anders, da gab es sie nahezu in jeder Kleinstadt. Egal ob Städter oder Dorfbewohner, den Weg ins Atelier fanden viele. So auch zu Otto Hofmann in der Jesinger Straße in Kirchheim, wo das holzgetäfelte Häuschen im Garten stand: junge Eltern, Brautpaare mit und ohne Hochzeitsgesellschaft, Konfirmanden, ABC-Schützen, Schulklassen, Familien, Jahrgänge, Soldaten. Das Leben spiegelte sich dort wie in einem Brennglas - auch in all seiner Dramatik. So entstanden im Ersten Weltkrieg mitunter Familienfotos mit einem Statisten. War der Sohn auf Fronturlaub, wurde im Nachhinein sein Kopf hineinretuschiert.
Auf Glasplatten gebannt hat Otto Hofmann aber auch lustige und lebensfrohe Motive. Etwa vbei der „Fahrt ins Grüne“: Kinder sitzen auf einem kleinen Leiterwagen, der von einer Ziege gezogen wird. Vor allem seine Tochter inszenierte Otto Hofmann gerne mit ihren Freunden - etwa beim Baden oder auf dem Schulweg.
Die Sonderausstellung konzipiert hat Christine Reinhold vom Freilichtmuseum. Sie konnte aus dem Motiv-Fundus wählen, von dem ein kleiner Teil zu sehen ist. „Von seiner Tochter Anna gibt es viele Fotografien, er setzte sie in Szene wie eine Schauspielerin“, erzählt sie. Mit den verschiedenen Leinwänden und Requisiten erzeugte der Fotograf unterschiedliche Stimmungen. So gab es das bürgerliche Zimmer, eine Waldwiese und andere. „Was mich fasziniert hat: Schon um 1900 hat Otto Hofmanns Frau, die auch Anna hieß, retuschiert: Falten geglättet, Pickel entfernt und für eine Taille gesorgt, indem an richtiger Stelle ein kleines Dreieck reingeschnitten wurde. Die Problemchen waren schon damals dieselben“, verrät Christine Reinhold.
„Wir haben auch einen Bildungsauftrag“, sagt Steffi Cornelius. Bei der Museumsaktion können sich die Besucher mit der Geschichte der Fotografie auseinandersetzen. „Das wird gut angenommen“, konnte sie in der Scheuer beobachten. Für die Museumsleiterin ist das Konzept dann perfekt aufgegangen, wenn die Besucher zu Hause nach dem Schuhkarton mit den alten Fotos suchen und in den alten Fotos stöbern. „Sie wissen dann, in welchem Umfeld ihre Urgroßeltern sich fotografieren ließen und wie die Bilder entstanden sind. Sie haben aber auch etwas über die Fotografie gelernt“, sagt Steffi Cornelius. Sie freut sich auch besonders über die aktuelle Romanreihe „Die Fotografin“ der Bestsellerautorin Petra Durst-Benning. Die für ihre historischen Romanen bekannte Schriftstellerin ist in Kirchheim keine Unbekannte, stand sie doch lange Zeit im elterlichen Antiquitäten-Geschäft in der Max-Eyth-Straße hinter dem Tresen. Die Buchpräsentation des ersten Bands „Am Anfang des Weges“ fand passend dazu im Freilichtmuseum Beuren statt, wo die Gäste auch gleich das Tageslicht- atelier besichtigen konnten.
Info Wie zu Urgroßelterns Zeiten in Szene setzen können sich die Besucher noch bis zum 1. November in der Scheuer aus Gärtringen. Geöffnet hat das Freilichtmuseum in Beuren immer dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr.