Zwischen Neckar und Alb

Franzosen baggern „Fildergold“ ab

Stuttgart 21 Die Bauarbeiten gehen weiter: Nun greift die Bahn die freie Strecke zwischen Flughafen und Wendlingen an. Eine erfahrene französische Firma soll 1,4 Millionen Tonnen Erde bewegen. Von Roland Kurz

18.09.2018 Foto: Robin Rudel14: Bahn-Baustelle Scharnhausen, Kreuzung L 1204 in Richtung Scharnh., nördlich A 8
18.09.2018 Foto: Robin Rudel14: Bahn-Baustelle Scharnhausen, Kreuzung L 1204 in Richtung Scharnh., nördlich A 8

Aktion und Maschine waren am Dienstagnachmittag wenig spektakulär: Eine Planierraupe schiebt neben der Autobahn bei Scharnhausen den Mutterboden zur Seite. Benjamin Denk, Bauleiter im ICE-Abschnitt 1.4 „Filderbereich bis Wendlingen“, spricht dennoch von einem Meilenstein, weil es nun auf die freie Strecke zwischen Flughafen und Wendlingen geht - und überdies im Zeitplan. Besonders sind diese Erdarbeiten außerdem, weil erstmals für das Projekt Stuttgart 21 ein französisches Unternehmen eingesetzt wird, und weil in einigen Monaten riesige Maschinen ankommen, um die Erde abzuhobeln.

Die Firma Vinci Construc­tion Terrassement bringt viel Erfahrung im Bau von Bahntrassen mit. Die vergangenen fünf Jahre habe man die fast 300 Kilometer lange TGV-Strecke von Tours nach Bordeaux vorbereitet, erzählt Projektleiter Julien Siquier. Bis zu 100 Arbeitskräfte werde man auf den Fildern einsetzen, aus Frankreich und Deutschland. Anfang nächsten Jahres will Siquier mit seinen Scrapern anrücken - das sind 50 Tonnen schwere Schürfzüge, die den Boden aufnehmen und wegschaffen können. Bagger sind dann keine nötig, aber ein riesiger Bulldozer, der den Erdhobel anschiebt. Solche Geräte sind in Deutschland seit 1974 nicht mehr eingesetzt worden, damals beim Bau der A 831 bei Stuttgart-Vaihingen.

Boden wird zwischengelagert

Auf den Fildern soll Vinci 1,4 Millionen Tonnen Erde bewegen. Zunächst werde man das „Fildergold“ behutsam wegschieben, sagt Benjamin Denk. Der wertvolle Oberboden werde zwischengelagert und später entweder in die Dämme eingebaut oder auf landwirtschaftlichen Flächen wieder verwendet. Für die ICE-Trasse parallel zur A 8 werden effektiv 20 bis 22 Meter Breite benötigt. Das sei weniger als für eine Autobahn, betont Bahnsprecher Jan Dambach.

Etwa zehn Kilometer lang ist die Neubaustrecke zwischen dem Flughafen und Wendlingen. Gearbeitet wird dort bereits seit 2015. Die zwei Talbrücken bei Denkendorf parallel zur Autobahn sind schon fertig. Der 475 Meter lange Tunnel bei der Raststätte - dort wechselt der ICE auf die Südseite der A 8 - ist zur Hälfte betoniert, die Aushubarbeiten für den Tunneltrog sind in diesen Tagen beendet worden. Außerdem wurden zwischen Scharnhausen und Plieningen bereits zwei Eisenbahnüberführungen gebaut. Nun geht es also an die Verbindungen auf der freien Strecke. Das Auftragsvolumen für die Erdarbeiten beträgt laut Jan Dambach 56 Millionen Euro. Im Frühjahr 2020 sollen die Erdbewegungen abgeschlossen sein. Viel Transporte mit Lastzügen seien nicht zu erwarten, kündigt Projektleiter Denk an. Man könne die Massen größtenteils für den Aufbau des Bahnkörpers verwenden. Von den 100 000 Tonnen im ersten Abschnitt werde man nur ein Fünftel abtransportieren.

Begonnen haben die Erdarbeiten am Ende einer Straße, die derzeit noch mitten auf dem Feld endet: die neue L 1204. Sie soll nördlich der Autobahn von Plieningen bis zur Anschlussstelle Esslingen führen. 2017 wurde der Abschnitt bis Scharnhausen um 50 Meter nach Norden verlegt, um Platz für den ICE zu schaffen. Die restliche Strecke wird voraussichtlich im Jahr 2021 fertig.