Zwischen Neckar und Alb

„Friar isch et alles besser gwea“

Saisonstart Das Beurener Freilichtmuseum öffnet am Sonntag seine Tore. Außer vier neuen Führungen zum Leben in früheren Zeiten bietet es ab Herbst eine neue Attraktion an: das Genusszentrum im Gartensaal. Von Andreas Volz

Am Sonntag heißt es: „Feuer und Flamme fürs Freilichtmuseum“. Die Saison beginnt um 9 Uhr mit der Museumsöffnung. Zwei Stunden später werden die Herde angeheizt und verschiedene traditionelle Gerichte darauf zubereitet. Einen Vorgeschmack gab es gestern zum Pressetermin: Christa Wölfel hatte eine Linsensuppe zubereitet - aus „Albleisa“, einer alten Linsensorte, die erst 2006 wiederentdeckt worden war.

Zu entdecken gibt es für die Besucher des Beurener Museumsdorfs am 31. März aber auch Herde, die man nicht „anschalten“ kann, weil sie weder mit Gas noch mit Strom funktionieren: Vielmehr sorgt Holz für die notwendige Energie. An die Tage, als der Herd mit Holz zu befeuern war, erinnert Eduard Mörike als Zeitgenosse: Während seiner „Vikariatsknechtschaft“ hat er vor 190 Jahren das schlichte, volksliedhafte Gedicht vom „verlassenen Mägdlein geschrieben“, in dem es zu Beginn heißt: „Früh, wann die Hähne krähn, / Eh die Sternlein schwinden, / Muß ich am Herde stehn, / Muß Feuer zünden.“

So ungewöhnlich es aus heutiger Sicht ist, den Herd überhaupt zu befeuern, so ungewöhnlich sind auch die traditionellen Methoden, um Feuer zu entzünden - ohne Streichholz geschweige denn Feuerzeug: Ein Schlageisen gehörte ebenso dazu wie der Zunder als Brennmaterial, den man heutzutage nur noch redensartlich kennt.

Auch das Licht des Kienspans gehört in die Kategorien „Feuer und Flamme“ sowie „Leben, wie es früher war“. Museumsleiterin Steffi Cornelius will in der neuen Saison noch einmal verdeutlichen, wie mühsam es war, „sein Essen selbst anzubauen, anstatt es einfach einzukaufen“. Die Beispiele zeigen, dass die neue Museumsführung auf Schwäbisch ihren Titel zurecht trägt: „Friar isch et alles besser gwea“. Man wäre geneigt, noch ein „fei“ vor das „et“ zu setzen, um die Aussage zu verstärken.

Trotzdem will das Freilichtmuseum, das der Landkreis Esslingen betreibt, auch das Gegenteil beweisen: dass früher nicht zwangsläufig alles schlechter war. Derzeit wird im Museumsdorf der Gartensaal der Geislinger „Wilhelmshöhe“ ausgebaut. Die Inbetriebnahme dieses neuen Erlebnis- und Genusszentrums ist für Mitte September vorgesehen. Gezeigt wird unter anderem - in der Theorie wie auch in der Praxis -, was für schmackhafte Speisen sich aus alten Obst- und Gemüsesorten zubereiten lassen.

Auch unabhängig von Obst und Gemüse soll der Geislinger Gartensaal mit altvertrauten Speisen aufwarten - speziell aus den 50er-Jahren, denen der Saal gewidmet wird. Darauf gab es gestern gleichfalls einen Vorgeschmack: „Kalter Hund“ - einstmals eine beliebte Süßspeise in Kastenform.

Landrat Heinz Eininger verspricht sich nicht nur vom Genusszentrum, sondern auch vom Gartensaal selbst ein neues Zugpferd: „Wenn ein neues Haus ins Museum einzieht, hat das immer eine hohe Anziehungskraft.“ Das Museum sammle aber nicht nur Häuser, sondern schaffe auch immer wieder neue Besuchsgründe. Die Leute sollten eben nicht sagen: „Freilichtmuseum, da war ich schon. Das kenne ich, da muss ich nicht mehr hin.“ Heinz Eininger rührt die Werbetrommel für seine Einrichtung und führt als Gegenargument an: „Es gibt jedes Jahr einen guten Grund, im Freilichtmuseum vorbeizuschauen.“

Ein Grund zum Vorbeischauen ist sogar das Sponsoring der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen: Jeder Besucher kann dazu beitragen, dass deren Förderbetrag steigt. Die Bank bezuschusst das Freilichtmuseum mit 1,50 Euro pro Besucher, wie der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Bernd Haußels gestern erklärte. Im Lauf der Jahre kommt da ­so einiges zusammen - 1,8 Millionen Euro seit 2006.

Führungen und Themen der Museumssaison 2019

Vier neue Führungen gibt es zur neuen Saison im Beurener Freilichtmuseum: Die schwäbische Führung „Friar isch et alles besser gwea“ ist eine davon. Kuriositäten bietet eine Führung mit dem Titel „Was macht die Kuh im Flur?“ Gartenschätze lassen sich unter der Überschrift „Neckarkönigin, Stuttgarter Riese, Erdbeerspinat“ entdecken. Wer an der Führung teilnimmt, erhält ein Samentütchen der „Neckarkönigin“ - einer Stangenbohnensorte. Schließlich geht es noch um die Streuobstwiesen, unter dem Stichwort „Geishirtle, Krälesbinder und Apfelschnitz“. Alle Führungen sind als Gruppenführungen ab sofort buchbar. Je nach Erfolg und Nachfrage von Einzelpersonen will das Museum die Führungen auch öffentlich anbieten.

Jüdisches Leben im ländlichen Württemberg - dieses Thema ist in der vergangenen Saison auf so großes Interesse gestoßen, dass es 2019 in die Verlängerung geht. Mit dabei ist die Laubhütte aus Rottenburg-Baisingen aus den 1920er-Jahren: Dabei handelt es sich um eine außergewöhnliche Leihgabe, die als bewegliches Kulturgut unter Denkmalschutz steht.

Der Gartensaal präsentiert sich während des Großteils der neuen Saison als Baustelle, wobei es nur noch um den Innenausbau geht. Als „normaler“ Bestandteil des Freilichtmuseums ist der „Wintergarten“ der Geislinger „Wil­helmshöhe“ ab der zweiten Septemberhälfte zu besichtigen. Einen Einblick vorab gibt es bei der Baustellenführung am 15. Mai.vol