Er ist kein sesshafter Typ, und er liebt seine Unabhängigkeit: Wanderschäfer Johannes Smietana ist gerne unterwegs. Mit seinen etwa 400 Schafen und Hütehund Nero ist er jeden Tag an einem anderen Ort. Auch im Landkreis Esslingen war er schon auf Tour, und er hat als „Sheepboy“ auf den Fildern gelebt.
Im Urlaub war er auch schon. Sogar zwei Mal - einmal auf Fuerteventura und einmal in Norwegen. Da hat er einen ausgewanderten Bekannten besucht, dessen Frau eine Schafzucht betreibt. Was sonst? Denn für Johannes Smietana sind Schafe Hobby, Beruf und Berufung. So ist er auch an Sonn- und Feiertagen inklusive Weihnachten mit den Tieren auf Tour: „Die Schafe wissen ja nicht, dass Heiligabend ist. Und es ist ihnen auch herzlich egal.“
Darum ist er ständig auf Achse, wandert mit etwa 400 Tieren von Ort zu Ort, bewegt sich in einem Umkreis von etwa 120 Kilometern um seinen Heimatort Steinheim bei Heidenheim herum. So wie jetzt auf der Schwäbischen Alb in der Nähe von Donzdorf im Landkreis Göppingen. Den Kreis Esslingen kennt er auch. Er hat auf den Fildern gelebt und ist immer wieder mit seinen Tieren in Köngen, Deizisau oder der Umgebung von Altbach auf Tour.
In Deizisau der Star des Tages
Besonders liebt er die Brücke in Deizisau. Dort wird er immer zum Star des Tages: „Da bilden sich stets lange Staus. Aber nicht, weil meine Tiere den Verkehr behindern, sondern weil alle ein Selfie mit ihnen oder mit mir machen wollen.“ Die Reaktionen auf seinen tierischen Tross sind meist positiv. Erstaunlicherweise freuen sich besonders die Menschen in den Städten, wenn er kommt. Auf dem Land setze es manchmal Anraunzer, aber damit könne er leben. Und er erlebt viel. Eben bei Deizisau seien einmal junge, verwirrte Schafe auf der Motorhaube eines Autos gelandet. Der Besitzer habe es mit Humor genommen: „Zum Glück fahre ich keinen Ferrari.“ Meist aber sorgt Hütehund Nero für Ordnung. Trotz seines Namens hat der altdeutsche Schäferhund ein äußerst friedliches Gemüt, einen ausgeprägten Hang zum Knuddeln und er flößt den Schafen Respekt ein. Johannes Smietana hat Nero selbst abgerichtet und erzogen. Mit einer gewissen Strenge: „Antiautoritär funktioniert hier leider nicht.“
Fünf weitere Hunde hat er zu Hause auf seinem heimischen Hof. Auf dem lebt auch seine geduldige, verständnisvolle Ehefrau, die sich um die Direktvermarktung von Lammfleisch, Wurst, Wolle und Fellen kümmert. Davon lebt Johannes Smietana. Und von Zuschüssen des Landes und der EU, da er sich auch für die Landschaftspflege und den Erhalt von Naturschutzgebieten einsetzt. Nachts lässt er seine Tiere auf einer Weide oder Wiese freundlicher Landwirte, wobei er die Umzäunung, den Pferch, selbst anbringt. Früher hat er in einem spartanisch eingerichteten Schäferkarren übernachtet, doch nun fährt er abends nach Hause.
Sorgen um die Tiere
Um einschlafen zu können, muss er dort wohl keine Schäfchen zählen. Den ganzen Tag in Bewegung und an der frischen Luft - da dürfte es keine Einschlafprobleme geben. Doch, korrigiert er gleich. Oft ließen ihn die Sorgen um seine Tiere, deren Bedrohung durch Gewitter, Schnee oder Hagel nicht zur Ruhe kommen. Lange wälzt er sich aber nicht schlaflos von einer Seite auf die andere, denn er steht jeden Morgen um fünf Uhr auf. Dann gönnt er sich Kaffee, ein paar Scheiben Brot und den einen oder anderen kernigen Song aus dem Radio - etwa von DJ Ötzi. Dann beginnt der Arbeitstag mit langem Stehen, Minusgraden oder Hitze. Shorts und Flipflops sind auch im Sommer tabu. Denn er muss über Stock und Stein, durch Gestrüpp und Dornen. Den ganzen Tag isst er nichts - erst abends genehmigt er sich eine deftige Mahlzeit. Konzentrieren muss er sich bei der Arbeit auch, vor allem im Straßenverkehr. „Für Romantik bleibt mir gar keine Zeit“, vertreibt er jedes aufkommende Bild vom idyllischen Naturleben. Hat er es manchmal satt? Dazu sagt Johannes Smietana nur ein Wort: „Nein.“ Er habe es so gewollt - und wolle es immer noch. Sein Großvater war Schäfer und sein Vater auch - allerdings in geregelten staatlichen Diensten, denn er arbeitete als Lehrschäfer an der Universität Hohenheim. Smietana hatte nach dem Hauptschulabschluss erst Metzger gelernt, dann eine Schäferausbildung draufgesattelt: „Ich konnte keine gefliesten Räume mehr sehen.“
Als „Sheepboy“ hoch angesehen
Als die US-amerikanischen Truppen noch in Ostfildern-Nellingen stationiert waren, hat er dort eine Wiese auf dem Gelände des heutigen Scharnhauser Parks als Weide genutzt. Als „Sheepboy“, also Schafjunge, sei er hoch angesehen gewesen, denn er habe die Amerikaner wohl an ihre heimischen Cowboys erinnert. Als sie abzogen, musste er sich umorientieren und begann mit der Bewirtschaftung des Hofes in der Nähe von Heidenheim.
Dort hält es ihn aber nie lange. Denn Wanderschäfer ist der zweifache Vater und vierfache Großvater mit Leib und Seele: „Ich bin gern mein eigener Chef.“ Darum benutze er Karten und kein Navi: „Ich mag es nicht, wenn mir jemand anderes die Richtung vorgibt.“ Für diese Unabhängigkeit nimmt er auch in Kauf, dass Krankheiten in seinem Lebensplan nicht vorgesehen sind: „Ein Schäfer darf nur ausfallen, wenn er einen Arm verliert oder sich beide Beine bricht.“