Zwischen Neckar und Alb

„Für Tipps ist nicht jeder empfänglich“

Tradition Schauen, riechen, schmecken – die zweite Mostprämierung des Landkreises brachte es an den Tag: Mosten ist eine Wissenschaft für sich und noch lange nicht aus der Mode gekommen. Von Sylvia Gierlichs

Detlef Schollmeier aus Metzingen lässt sich von Carola Blessing einen Schluck Most einschenken, während August Kottmann (rechts)
Detlef Schollmeier aus Metzingen lässt sich von Carola Blessing einen Schluck Most einschenken, während August Kottmann (rechts) immer eine charmante Bemerkung auf den Lippen hat.  Foto: Sylvia Gierlichs

Auf der Alb, aber ganz bestimmt auch am Albtrauf und auf den Fildern war der Most lange eines der wichtigsten Getränke. In der Nellinger Ortschronik wurde beispielsweise noch Ende des 19. Jahrhunderts über Getränke der Bevölkerung vermerkt: „Täglich zwei Liter Most, in der Ernte vier Liter für männliche Arbeiter, weibliche die Hälfte.“ Man trank sicher auch Wasser, aber sauberes Wasser gab es längst nicht überall, besser also, man blieb beim Most.

Heute ist der Most ein wenig aus der Mode gekommen. Oder vielleicht doch nicht? Immerhin rühmt sich der Landkreis, zu einem der größten zusammenhängenden Streuobstwiesengebiete Europas zu gehören. Die Mostprämierung des Landkreises im Oberboihinger Albvereinsheim, die nach 2017 zum zweiten Mal stattfand, mutete dennoch eher wie ein Klassentreffen an. Man kennt sich, man plaudert. Aber klar, die Konkurrenz wird nicht aus den Augen gelassen. Denn der beste Most kommt schließlich immer noch aus dem eigenen Keller, und eigentlich haben alle anderen eh keine Ahnung davon, wie ein richtiger Most schmecken muss. Geschweige denn, wie er gemacht wird.

21 Moste standen zur Verkostung parat. Die Teilnehmer kamen aus Oberboihingen, Beuren, Lenningen, Hepsisau, Dettingen, Notzingen, von „Onser Saft“, aus dem Freilichtmuseum und aus Hohengehren. Mit von der Partie war auch August Kottmann. Der Wirt des Restaurants Hirsch aus Bad Ditzenbach gibt beispielsweise im Freilichtmuseum Mostseminare. Und ist ziemlich auf Zack, wenn es um die Mostherstellung geht. Doch auch er musste schon erfahren: „Für Tipps ist nicht jeder empfänglich.“ In Oberboihingen moderierte er kenntnisreich und unterhaltsam. „Dr Schwob ko elles, bloß in letzter Zeit koin Moscht me macha. Mir machet en Moooscht, aber koin Moscht mehr“, sagte er, ein wenig provokant.

Während Kottmann plauderte, durften die acht Jurymitglieder, darunter Landrat Heinz Eininger, Sigrid Jetter vom Kreisobstbauverband Nürtingen und ihre Kollegin Christel Schäfer vom Esslinger Kreisverband, aber auch Helmut Dolde vom Weingut Dolde aus Linsenhofen und Detlef Schollmeier vom städtischen Obstbaubetrieb in Metzingen, die 21 Moste verkosten und bewerten.

Die Jury entschied übrigens nicht alleine, welche Moste das Rennen machten. Auch die Hersteller selbst konnten eine Wertung abgeben. Allerdings nur pro Tisch, sodass man sich mit den Tischnachbarn auf die jeweilige Note einigen musste. Was teils zu lebhaften Diskussionen führte.

Auch wenn August Kottmann den Most in eine nachhaltige Zukunft führen will, in den Obst- und Gartenbauvereinen ist die Mosterei immer noch fest in den Händen älterer Männer. Ein Teilnehmer allerdings lässt hoffen. Daniel Schäfer aus Beuren ist erst 28 und kam durch seinen Opa zum Mosten. „Er nahm beispielsweise nie Hefe und machte auch keinen sortenreinen Most“, erzählt er. Das kommt für Daniel nicht in Frage. Er experimentiert gerne. Für die Prämierung hat er einen Most aus einer Häslacher „Luike“ mitgebracht. An seinem Tisch saßen allerdings durchweg Herren, die eher an der Tradition hingen. Das Fachsimpeln bei der Verkostung funktionierte trotzdem.

Schauen, riechen, schmecken - in dieser Reihenfolge arbeiteten sich Jury und Teilnehmer durch die 21 Kostproben. Ein Schluck Wasser und ein Stück Brot neutralisierten den Geschmackssinn wieder. Dennoch: „Nach dem fünften Durchgang wird es schwer, eine wirklich objektive Bewertung abzugeben“, gab Experte Detlef Schollmeier aus Metzingen zu. Daniel Schäfer jedenfalls hat zumindest seinen eigenen Most herausgeschmeckt. Was nicht jedem gelingt. Am Ende langte es für ihn nicht zum Sieg, das entmutigt den jungen Mann aber nicht. Das Mosten hat bei ihm eingeschlagen. Und auch die Freunde infiziert. August Kottmann wird es gerne hören.

Der Siegermost kam von Maren Hövelmann vom OGV Beuren, die Obst aus dem Freilichtmuseum verwendete. 17,65 Punkte heimste ihr Most ein. Auf Platz zwei landete Dieter Haußmann mit 17,39 Punkten, auch er ist vom OGV Beuren und verwendete Obst aus dem Freilichtmuseum. Auf dem dritten Platz fand sich Lilo Drexler vom OGV Hepsisau mit 16,87 Punkten wieder.