Zwischen Neckar und Alb

Futtervorrat für Affen kommt aus dem Sauhag

Der Baum des Jahres 2016 hat in den Forstrevieren im Landkreis seinen festen Platz

Die Winterlinde, Baum des Jahres, ist in den Wäldern des Landkreises Esslingen überdurchschnittlich präsent. Es kommen noch weitere hinzu.

Gleich 750-fach wird aktuell der Baum des Jahres - die Winterlinde - im Forstrevier Nürtingen gepflanzt. Jakob Lehmann (links) u
Gleich 750-fach wird aktuell der Baum des Jahres - die Winterlinde - im Forstrevier Nürtingen gepflanzt. Jakob Lehmann (links) und Nicolai Kuhn vom Team des Forstrevieres Nürtingen bauen zusammen mit ihren Kollegen einen klimastabilen Wald aus Eichen und Winterlinden auf. Foto: Landratsamt

Kreis Esslingen. „Die Winterlinde, Baum des Jahres 2016, hat ihren festen Platz bei uns im Wald“, erläutert Forstamtsleiter im Landkreis Esslingen Anton Watzek. Weil sie in ihren Ansprüchen an Licht, Wasser und Wärme deutlich genügsamer ist als die Sommerlinde, ist sie ein willkommenes Element im Aufbau von widerstandsfähigen und stabilen Mischwäldern.

Ihre Toleranz gegen Trockenheit macht sie zur idealen Begleitbaumart der Eiche. „Wir setzen auf die Anpassungsfähigkeit naturnaher Mischwälder und die gezielte Beteiligung von trockenheitstoleranten Baumarten“, so Anton Watzek, dem da der Baum des Jahres 2016 gerade recht kommt. In den Wäldern des Landkreis Esslingen gibt es besonders schöne Winterlinden, die zur Gewinnung von Saatgut zugelassen sind.

Im Wald kommt dieser klimastabilen Baumart eine spezielle Funktion zu: Sie wird als „dienende Baumart“ in Eichenwäldern geschätzt. Daher lassen die Förster alljährlich im März und April Winterlinden anpflanzen. Derzeit wird im traditionell lindenreichen Forstrevier Nürtingen unter Federführung von Förster Richard Höhn ein neuer Eichenwald unter Beteiligung der Winterlinde begründet.

„Durch ihre Schattentoleranz und ihre Genügsamkeit eignet sich die Winterlinde hervorragend als Baum im Unterstand“, erläutert Förster Höhn seine Auswahl der zu pflanzenden Baumart. Aktuell wird im Revier Nürtingen eine Kahlfläche mit Eichen und Winterlinden wieder aufgeforstet, die aufgrund des Eschensterbens entstanden ist.

Im forstlichen Fachjargon, so das Forstamt, werde bei der Winterlinde von der „dienenden Baumart“ gesprochen, weil sie unter den Eichen eingebracht werde und so zur schnelleren Astreinigung beitrage. Außerdem würden so Wasserreiser an den Eichenstämmen vermieden, was diese wertvoller mache. Reine Lindenbestände sind im Wald eher die Ausnahme, als Mischbaumart ist die Winterlinde jedoch im laubwaldgeprägten Landkreis fast überall präsent.

Einen besonderen „Hotspot“ bildet die Winterlinde im Stadtwald Nürtingen, wo sie mit einem Anteil von sechs Prozent deutlich heraussticht. Richard Höhn kann sogar auf großflächige Vorräte an jungen Lindenbäumen – den sogenannten Verjüngungsvorräten – von 70 Hektar verweisen. Besonders erfreulich ist aus Sicht der Forstleute, dass die Winterlinde im Landkreis von so guter Qualität ist, dass auf einer Fläche von 9,3 Hektar die Samen der Winterlinde für Baumschulen zur Nachzucht junger Bäume gewonnen werden dürfen.

Im Forstrevier Sauhag bei Neuhausen kommt darüber hinaus ein ungewöhnlicher Aspekt der Linde zum Tragen: Hier rückten alljährlich im Sommer Erntehelfer der Wilhelma aus, um kiloweise Lindenblätter zu ernten und diese dann schockgefrostet als Winterfuttervorrat für Menschen- und Brüllaffen sowie Giraffen einzulagern.

Obwohl Lindenholz weit und breit das beste Schnitzholz ist – es ist weich und splittert nicht – spielt es im Holzverkauf des Forstamtes kaum eine Rolle. „Da gibt es kaum einen Markt“, erläutert Anton Watzek. Weit größer als die wirtschaftliche Bedeutung ist daher die landschaftsprägende und ökologische Wirkung der Linde.

Als Solitärgehölz oder in Alleen entfaltet die Baumart mit dem herzförmigen Habitus ihre volle Wirkung. Linden haben außerdem ihren festen Platz in Parks, auf Friedhöfen oder vor Kirchen. Auch als Dorflinden, Tanzlinden oder Gerichtslinden wurden sie in früheren Zeiten gerne gepflanzt und erlangten so jahrhundertelang große Bedeutung. Diese Solitärbäume entpuppen sich allerdings bei genauerem Hinsehen häufig als ihre Verwandten, die Sommerlinden.

Im Juli wird ein weiterer Aspekt der Linde offenbar: Dann nämlich öffnen sich die Blüten des Baumes. Tausende und Abertausende von Bienen und Hummeln tummeln sich dann im süßlichen Duft der Lindenblüten. Durch die recht späte Blüte entfaltet die Linde eine magische Lockwirkung auf die Insekten. Für Imker sind die Lindenvorkommen daher von unschätzbarem Wert. pm