Zwischen Neckar und Alb
Gastel geht wieder ins Rennen

Wahlen Matthias Gastel vertritt seit sieben Jahren die Grünen im Wahlkreis Nürtingen im Bundestag. Am Donnerstagabend wurde er erneut nominiert. Von Johannes Aigner

Einzeltische, Maskenpflicht, Plastiktüten über den Mikrofonen - die Nominierungsveranstaltung der Grünen im Wahlkreis Nürtingen zur Bundestagswahl fand unter höchsten Hygienevorschriften statt. Trotzdem ließ sich die Unsicherheit über die steigenden Fallzahlen nicht aus dem Saal verbannen: Von den rund 80 Plätzen in der Nürtinger Stadthalle war weniger als die Hälfte besetzt. Doch die geringe Besucherzahl verdarb Matthias Gastel nicht den Abend.

Während der vergangenen sieben Jahre sei ihm das Streben nach mehr Transparenz und Bürgerdialog ein großes Anliegen gewesen, so Gastel. Gerade in der jetzigen Zeit bestehe eine massive Nachfrage nach Bürgersprechstunden. Es herrsche Verunsicherung aufgrund der vielen Maßnahmen. Diesen Ansatz wolle er auch nach Berlin übertragen. „Das Parlament muss über die Coronamaßnahmen entscheiden können. Eine Debatte im Parlament stellt Transparenz her, und nur so verstehen die Bürger wie die Entscheidungen getroffen werden. Dadurch können die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus eine größere Akzeptanz erfahren“, sagte er.

Am bisherigen Kurs der Regierung gab es für ihn viel Gutes, aber auch Negatives. Gerade bei den Hilfen für die Wirtschaft hätten Bund und Länder beispielsweise richtig reagiert. Auch begrüße er es, dass die einzelnen Maßnahmen der Länder auf einem breiten wissenschaftlichen Konsens basieren. „Wir verstehen Oppositionsarbeit nicht derart, dass wir uns in allem gegen die Regierung stellen. Wir halten natürlich nur dagegen, wo wir etwas für falsch halten.“ Kritik übte er an der Anschaffung von Masken und Medikamenten. „Es kann nicht sein, dass wir uns beim Bekämpfen der Krise von Importen aus fernen Ländern abhängig machen. Wir müssen dafür sorgen, dass wir selbst produzieren.“ Auch das Schließen der Spielplätze hätte seiner Meinung nach keinen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie geleistet. Bei den Maßnahmen in den Schulen und Kitas hätte man nach heutigem Wissensstand ebenfalls anders handeln müssen.

Als Experte für Mobilität widmete Matthias Gastel einen großen Teil seiner Rede der Arbeit des Verkehrsministeriums. „Dieses Ressort darf nicht mehr von der CSU besetzt werden. Die können es nicht und wollen es offensichtlich auch nicht richtig machen. Dort sitzt ein Minister, der nur in den Schienenverkehr Geld investiert, wenn er gleichzeitig genau so viel Geld in das Straßennetz investieren darf.“ Eine Verkehrswende heiße, dass man Prioritäten setzt. „Die Realität ist, dass jedes Haus in Deutschland von einer Straße erschlossen ist, viele Zentren aber nicht von Schienen“, sagte Gastel. Das Bahnnetz auszubauen sei daher ein wichtiges Ziel. Eine bessere Bahnanbindung will man bei den Grünen auch im regionalen Raum in Angriff nehmen. Für seine Forderung nach einem S-Bahn-Anschluss in Nürtingen und einer 15-Minuten-Taktung der Fahrzeiten erntete er großen Beifall im Saal.

Es sei schön, dass mittlerweile viele junge Leute auf die Straße gehen und sich politisch engagieren. Die Bemühungen von Fridays for Future würdigte er im Besonderen und fügte an: „Wir wollen ganz klar 100 Prozent erneuerbare Energien in Deutschland. Und dazu muss man in die Forschung investieren. Es muss ein Ziel sein, dass wir in Zukunft überschüssigen Ökostrom sinnvoll speichern können“, sagte er. Man dürfe sich nicht darauf ausruhen, dass der Kohleausstieg realisiert wurde. Damals sei man für die Idee noch für verrückt erklärt worden. Jetzt liege es an den Grünen, dass der Ausstieg beschleunigt und vorverlegt werde.

„Wir haben gutes Personal und eine gute Ausgangslage“, betonte der Bundestagsabgeordnete: „Ob Verkehrswende oder erneuerbare Energien -, unsere Themen haben Hochkonjunktur.“ Man merkt, dass es die Grünen und auch Gastel nach Regierungsverantwortung dürstet. „Uns war es möglich, in der Opposition saugute Ideen und Konzepte zu entwickeln. Nun wird es Zeit, dass wir die Chance kriegen, unsere Konzepte in die Praxis umzusetzen. Die Zeit schreit danach, dass wir mehr Verantwortung bekommen.“

Dass die Nürtinger Grünen ihren Kandidaten für geeignet halten, diese Verantwortung zu übernehmen, wurde im Anschluss deutlich: Gastel erhielt 31 von 32 Stimmen. Eine Person enthielt sich. Damit wurde er zum Bundestagskandidaten 2021 für den Wahlkreis Nürtingen gewählt. Gegenkandidaten traten keine an.