Seit 13 Jahren gibt es im Kreis Esslingen eine Energieagentur, die vor allem Privathaushalte beraten sollte. Angeschoben mit Fördermitteln vom Land, getragen von lediglich neun Kommunen und personell am Ende ausgeblutet, war das Büro mit Sitz in Nürtingen alles andere als ein Erfolgsmodell. Die SPD im Kreistag nennt es eine
„Totgeburt.“ Klar ist: Für ein stilles Begräbnis ist das Thema viel zu wichtig. Der Klimawandel macht keine Pause, auch wenn die Corona-Pandemie im Moment etwas anderes glaubhaft machen will. Die Kreistags-Grünen haben deshalb vor drei Jahren in einem 60-seitigen Papier zur Diskussion gestellt, wie aus ihrer Sicht ein Neustart der Agentur unter veränderten Bedingungen aussehen könnte. Als der Landkreis mit dem Heidelberger Ifeu-Institut als Partner sich 2018 an die Ausarbeitung eines Integrierten Klimaschutzkonzeptes machte, war in der Verwaltung die Zeit reif, den Ball aufzunehmen.
Für Franziska Zink ein Erfolg, der stolz macht. „Klimaschutz ist eben kein Sprint, sondern ein Marathon“, stellte die Kirchheimer Grünen-Sprecherin bei der Abstimmung im Kreistag fest. „Jahrelang haben wir ein dickes Brett gebohrt“, zeigte sich auch Landrat Heinz Eininger zufrieden. „Jetzt machen wir den Knopf dran.“ Dass alle Fraktionen das Projekt stützen, liegt daran, dass sich vieles am Konzept geändert hat. Mit einem Startkapital von 350 000 Euro, dreieinhalb Vollzeitstellen und einer eigenen Klimaschutzmanagerin seit November, sind die Erwartungen groß. Neben Privathaushalten sollen vor allem Kommunen und auch Gewerbebetriebe von Expertisen profitieren. Alle 29 beteiligten Städte und Gemeinden haben bereits im Sommer Steckbriefe erhalten, aus denen sich möglichst schnell konkrete Schritte ergeben sollen.
Hoffnung auf weitere Mitstreiter
Marion Leuze-Mohr, als Erste Landesbeamtin auch für den Klimaschutz im Landratsamt zuständig, sieht in der neuen Agentur vor allem ein kommunales Gemeinschaftsprojekt. In einigen Gemeinden steht die Abstimmung im Gemeinderat noch aus. Deshalb hofft sie, dass der Kreis der Mitstreiter weiter wächst. „Schließlich findet die Umsetzung in die Praxis in den Kommunen statt“, betont Leuze-Mohr. Sie zeigt sich zuversichtlich, dass die Agentur noch im ersten Quartal des neuen Jahres mit der Arbeit starten kann. Was im Moment noch fehlt, sind die passenden Räume.
Dass die Oberbürgermeister aller vier Großen Kreisstädte vom Projekt überzeugt werden konnten, hält man im Landratsamt für ein wichtiges Signal. Je breiter die Basis, desto größer der Erfolg, das sieht auch Kirchheims Bürgermeister Günter Riemer so, der für die Freien Wähler im Kreistag sitzt. „Klimaschutz muss von vielen getragen werden, wenn er wirken soll.“
Nicht alle Gemeinden ziehen mit
Die vier Großen Kreisstädte und 25 Gemeinden sind dabei. In einigen Rathäusern steht die Entscheidung noch aus. Eine Handvoll Kommunen im Landkreis haben sich per Gemeinderatsbeschluss allerdings gegen eine Beteiligung an der Klimaschutzagentur ausgesprochen. Eine davon ist Notzingen, wo Rathauschef Sven Haumacher seinen Räten ein Nein ans Herz legte. Haumacher hält es für sinnvoller, Geld in konkrete Projekte zu stecken, wie er sagt, anstatt in Zeiten rückläufiger Steuereinnahmen auf zusätzliche Verwaltungsstellen und weitere Bürokratie zu setzen. Mit seiner Rolle als Klimaberater trete der Kreis zudem in Konkurrenz zur Privatwirtschaft. Die Entscheidung im Notzinger Gemeinderat fiel einstimmig.
Haumacher betont , dass es dabei nicht ums Geld gegangen sei. Der zu erwartende Anteil der Gemeinde wäre mit 1 627,90 Euro jährlich plus einem noch zu bestimmenden Grundbeitrag überschaubar gewesen. Die Gemeinde habe in den vergangenen Jahren viel für den Klimaschutz getan. „Ich sehe nicht, für welches Vorhaben wir eine Agentur hätten beauftragen sollen“, sagt der Bürgermeister. Als Kreisrat stimmte Haumacher allerdings für die Gründung der Klimaschutzagentur. „Für größere Städte mag das ja sinnvoll sein“, begründet er seine Entscheidung. „Bei uns in Notzingen sind die Dinge überschaubar.“ bk