Nachhaltiges Infrastruktur- und Mobilitätskonzept, zu einem hohen Grad energieautark – von modernen Wohngebieten wie der Weststadt in Esslingen kennt man diesen Ansatz. In Ostfildern will man diesen Weg auch im neuen Gewerbepark „Scharnhausen West“ gehen. Klimaneutral arbeiten und mobil sein, heißt dort die Losung.
Auf der gut elf Hektar großen Fläche werde man pro Jahr rund 5 000 Tonnen weniger CO2-Emissionen haben als bei vergleichbaren konventionellen Gewerbegebieten, erklärt der Erste Bürgermeister Rainer Lechner. Mehr als 2 200 Arbeitsplätze könnten auf der verkehrsgünstig gelegenen Fläche entstehen. Zusammen mit der EnBW als Partner will man Photovoltaikanlagen auf allen Dächern und Fassaden platzieren. Außerdem plane man das größte Erdwärmesondenfeld in Deutschland. „Wir setzen uns damit an die Spitze der Bewegung“, sagt Lechner.
Hohe Vorleistung der Stadt
Für die Stadt Ostfildern ist das neue Gewerbegebiet am Ortsrand von Scharnhausen Richtung Plieningen eine sehr kostspielige Sache. Unter anderem mussten zwei Starkstrommasten abgebaut und die Kabel in die Erde verlegt werden, damit sie für ansiedlungswillige Unternehmen keine Hindernisse darstellen. Allein dafür habe man sechs Millionen Euro aufbringen müssen, so Bürgermeister Lechner. Jedoch gehe man davon aus, dass sich das Projekt durch den Verkauf der Gewerbeflächen selbst finanziert. Mehrere große Firmen hätten schon vor Jahren signalisiert, dass sie an Erweiterungsflächen interessiert seien. Die millionenschweren Vorleistungen sollen sich für die Stadt langfristig rechnen.
Mehr Arbeitsplätze schaffen
Es gehe darum, die Wirtschaftskraft der Kommune zu erhöhen, erklärt der Erste Bürgermeister. Bei der Zahl der Arbeitsplätze liege man im Vergleich zu den anderen Großen Kreisstädten im Landkreis Esslingen im hinteren Bereich, was natürlich deutlich weniger Gewerbesteuereinnahmen bedeutet. Laut Lechner hat Ostfildern aktuell einen jährlichen Pro-Kopf-Ertrag von 585 Euro aus der Gewerbesteuer. Bei den anderen Großen Kreisstädten liege der Satz im Schnitt bei 764 Euro. Der Stadt sei es ein Anliegen, die Fläche sehr nachhaltig zu nutzen. Auch, weil der Filderboden zu den wertvollsten in Deutschland zähle. Deshalb habe man sich für eine hohe Baudichte entschieden.
Die Gebäude der neuen Gewerbebetriebe könnten bis zu 18 Meter hoch werden. Die obersten 50 Zentimeter des Bodens, insgesamt 70 000 Kubikmeter, werden dafür genutzt, andernorts minderwertige Agrarflächen zu verbessern. Geplanter Baustart ist Ende 2022. Die Hochbauarbeiten beginnen 2024, die Inbetriebnahme des kalten Nahwärmenetzes ist für 2025 geplant.
Erst vor Kurzem hatten die Stadt und die EnBW einen Kooperationsvertrag geschlossen. Neben der Planung und Optimierung der Infrastrukturgewerke übernimmt die EnBW später auch die Betriebsführung und Medienversorgung der künftigen Nutzer.
Größtes Erdwärmesondenfeld Deutschlands
„Quartiere müssen ganzheitlich gedacht sein. Mit unserem Konzept für den Gewerbepark „Scharnhausen West“ zeigen wir, wie Mobilität, Arbeiten und Nachhaltigkeit in Zukunft funktionieren“, sagt Nils Blume, Leiter Urbane Infrastruktur EnBW. Zum Energiekonzept gehören unter anderem 370 Erdwärmesonden, die 130 Meter unter den zentralen Gebäuden in zwei zusammenhängenden Feldern platziert werden. In Summe sei dies das größte Erdwärmesondenfeld in Deutschland, so Blume.
Es liefert im Winter Wärme und ermöglicht im Sommer die Kühlung der Gebäude. Zur thermischen Energieversorgung des Quartiers gehören außerdem ein sogenanntes kaltes Nahwärmenetz, dezentrale Sole-Wasser-Wärmepumpen in jedem Gebäude und eine dezentrale elektrische Warmwasserbereitung. Für die elektrische Versorgung sind ein zentraler Batteriespeicher bei der Quartiersgarage und Photovoltaikanlagen auf allen Dächern und Fassaden geplant.
Neben der Energieversorgung ist der Mobilitätshub das zentrale Element des Konzepts. Die vollständig mit erneuerbarer Energie betriebene Garage bietet Platz für rund 950 Fahrzeuge und stellt 200 Ladepunkte sowie zwei Schnellladepunkte öffentlich zur Verfügung. Zusätzliche Ladepunkte können auf den Grundstücken installiert werden. Im Konzept ist vorgesehen, dass die Hälfte aller Fahrzeuge des Quartiers elektrisch fährt.
Über eine intelligente und digital vernetzte Mobilitätsplattform buchen Firmen zudem Stellflächen nach Bedarf oder reservieren Mietwagen. Das spart auf dem Gelände Platz, reduziert den Verkehr und senkt die Kosten für Firmen. Denn sie müssen keine großen Fahrzeugflotten mehr unterhalten. Ebenso vorgesehen sind Fahrradstellplätze, Sharing-Lösungen und eine gute Anbindung ans öffentliche Nahverkehrsnetz. Das gesamte Abrechnungssystem funktioniert digital und automatisch.