Zwischen Neckar und Alb

Günstigere Tarife haben ihren Preis

Verkehr Neue VVS-Struktur macht den ÖPNV attraktiver – die Landkreise und Stuttgart müssen daraus entstehende Mehrkosten teilen. Von Roland Kurz

Das dicke Brett ist gebohrt: Die Tarifstruktur im Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) wird vereinfacht. Landrat Heinz Eininger, der seit Jahren den Bohrpunkt angezeigt hat, ist zufrieden: „Nun liegt eine gute und gerechte Lösung für den Verkehr innerhalb der Stadt Stuttgart, zwischen der Stadt und den Landkreisen und in den Landkreisen auf dem Tisch.“ Ab Mitte 2019 könnte die vereinfachte Tarifstruktur gelten.

Zwei grundlegende Veränderungen hat der Aufsichtsrat des VVS beschlossen. Zum einen werden die beiden inneren Stuttgarter Zonen 10 und 20 zusammengelegt sowie die beiden äußeren Ringe des VVS. Zum anderen fallen die Sektorengrenzen weg, die bislang die Tangentialverbindungen teuer gemacht haben, etwa von Esslingen zum Flughafen.

Die Vereinigung der Zonen 10 und 20 machen den Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr für Fahrgäste aus dem Landkreis Esslingen interessant. Wer mit der S-Bahn von Esslingen zum Stuttgarter Hauptbahnhof fährt, wird künftig 1,30 Euro weniger bezahlen, weil er nur noch durch zwei Zonen fährt. Die Monatskarte für zwei Zonen wird im neuen System statt 115 Euro nur noch 86,50 Euro kosten - vorausgesetzt, der VVS erhöht nicht zur Einführung der neuen Struktur die Preise. Das ist durchaus denkbar, der Tarifausschuss wird darüber nächste Woche beraten.

Zwischen Neuffen und Weilheim liegt ein ganzes Dutzend Kreisgemeinden im äußeren VVS-Ring. Das sind sieben Tarifzonen bis in die Landeshauptstadt, also der Maximalpreis von 8,60 Euro für das Einzelticket. Künftig sind die Randgemeinden in der gleichen Zone wie die Große Kreisstadt Kirchheim. Das war ein Anliegen der Kreisverwaltung, dass die Fahrgäste günstig ins nächste Mittelzentrum kommen. Bis in die Landeshauptstadt werden es zwei Zonen weniger, macht akzeptable 6,50 Euro für das Ticket.

Der „große Wurf“ ist für Klaus Neckernuss, den ÖPNV-Experten im Landratsamt, jedoch das Wegfallen der Sektorengrenzen. Wer quer durch den Landkreis reisen will, etwa von Hochdorf nach Neuffen, wird meist mit einem Ticket für eine Zone auskommen. Am interessantesten dürfte aber diese Neuerung für die Pendler zum Flughafen oder die Besucher der Landesmesse sein. Die gut frequentierte Buslinie 122 von Esslingen zum Flughafen durchquert heute drei Zonen, künftig bleibt der Bus in der gleichen Zone. Am meisten kann ein Waiblinger sparen, der mit dem Expressbus über Esslingen fährt und am Flughafen umsteigt, um bis nach Stuttgart-Rohr zu gelangen: ein einzige Zone statt fünf. Es wird aber auch Fahrgäste geben, die künftig genauso viel zahlen. Der Daimler-Mitarbeiter, der von Esslingen nach Untertürkheim will, rutscht wie bisher in die nächste Zone hinein. Neckernuss macht noch auf einen Effekt aufmerksam: Bislang sind etliche Pendler mit dem Auto in die nächste Zone gefahren, um ein günstigeres Monats- oder Jahresticket zu erhalten. Das lohnt sich weniger.

Die Neuordnung muss noch zwei Stufen erklimmen. Zunächst muss die Finanzierung geklärt werden und dann müssen die Kreistage und der Stuttgarter Gemeinderat den höheren Zuschüssen zustimmen. Das soll noch vor der Sommerpause geschehen. VVS-Geschäftsführer Horst Stammler war gestern Nachmittag bereits im Finanzausschuss des Esslinger Kreistags, allerdings im nicht öffentlichen Teil der Sitzung.

Auf 42 Millionen Euro wird die Summe geschätzt, die das einfachere System den VVS kostet. Das gilt nur, wenn die günstigen Tickets fünf Millionen Euro Fahrgäste mehr in Bahn und Bus locken. In den nächsten Wochen wird es darum gehen, einen Verteilungsschlüssel zwischen den fünf Landkreisen und der Landeshauptstadt zu finden. Zwar hat die Stadt Stuttgart bereits neun Millionen Euro zugesagt. Aber sie ist noch davon ausgegangen, dass es einen Mischpreis geben wird, der zwischen dem Tarif der inneren Zonen 10 und 20 liegt. Jetzt sollen die Stuttgarter Fahrgäste aber nur für eine Zone zahlen. Die Zusatzkosten nach der Einwohnerzahl aufzuteilen, hält Amtsleiter Neckernuss für nicht gerecht. Man müsse schauen, wer wie viel profitiere. Das bedeutet, dass man die Zahl der Aus- und Einpendler berücksichtigen müsste. Man stehe erst am Anfang der Gespräche, sagte Neckernuss. Klar sei nur so viel: „Jeder wird ordentlich in die Tasche greifen müssen.“

Prinzipiell hat sich auch das Land bereit erklärt, in der Startphase einen Zuschuss zu bezahlen - als Beitrag zur Luftreinhaltung in Stuttgart. Der Beitrag soll dann allerdings langsam wieder abgeschmolzen werden.