Zwischen Neckar und Alb

Gute Zeiten – schlechte Zeiten

Haushaltsdebatte Viel Unsicherheit trotz rosiger Konjunkturlage. Fraktionen im Esslinger Kreistag kritisieren Vorgehen der Landesregierung beim Finanzausgleich. Uneinigkeit über Höhe der Kreisumlage. Von Bernd Köble

Der alte Teil des Landratsamts-Gebäudes (rechts) in den Esslinger Pulverwiesen muss erneuert werden. Ein Mammutprojekt, dass die
Der alte Teil des Landratsamts-Gebäudes (rechts) in den Esslinger Pulverwiesen muss erneuert werden. Ein Mammutprojekt, dass die Kreisfinanzen in naher Zukunft stark belasten wird.Foto: Landkreis Esslingen

Der Fehler steckt wie immer im System. Wie kann es sein, dass die Wirtschaft brummt wie lange nicht mehr, die Steuerquellen sprudeln, die Arbeitslosigkeit auf Rekordtief sinkt und trotzdem niemand weiß, wie es in Zukunft finanziell weitergeht? Fehlende Planbarkeit, unzureichende Orientierungsdaten – Die Klagen in den Haushaltsreden im Esslinger Kreistag klangen gestern fast unisono. Adressat: die Landesregierung, die ihren Haushalt erst im Februar beschließen wird und die Kommunen dabei stärker zur Kasse bitten will. Es geht um 300 Millionen Euro zusätzlich und Sonja Spohn, Fraktionschefin der SPD im Kreistag hat schon mal nachgerechnet, mit welcher Wucht das auf die Rathäuser durchschlagen würde: Die hätten dadurch 30 Euro pro Einwohner und Jahr weniger zur Verfügung.

Während sich Land, Kreise und Kommunen also weiterhin um die Neuregelung des Finanzausgleichs streiten, muss die Kreispolitik entscheiden, wie viel finanzieller Spielraum künftig bleibt. Für Schulen, für Sporthallen, für Nahverkehr und Straßenbau und nicht zuletzt für Flüchtlinge und deren Integration. Das alles vor dem Hintergrund des gemeinsam geleisteten Versprechens, den Schuldenberg kontinuierlich abzutragen. Fünf Millionen Euro weniger sollen es immerhin im kommenden Jahr sein. Langfristig wird jedoch von neuen Schulden ausgegangen.

„Wenn wir in Zeiten guter Konjunktur nicht sicher planen können, wann denn dann?“ fragte sich CDU-Fraktionschef Martin Fritz, der sich deshalb weigerte, eine Aussage zur Höhe der künftigen Kreisumlage zu treffen. So wie die CDU kündigten auch die Liberalen gestern an, erst im Laufe der weiteren Haushaltsberatungen zu entscheiden.

Landrat Heinz Eininger hatte bei der Vorstellung seines Etatentwurfs vor vier Wochen eine Umlage-Erhöhung um eineinhalb auf 34 Prozentpunkte errechnet, um steigende Sozialausgaben und laufende Investitionen wie den Neubau der Nürtinger Albert-Schäffle-Schule oder die Generalsanierung der Rohräckerschule in Esslingen-Berkheim finanzieren zu können. Das größte Projekt liegt zwar noch in einiger Ferne, wirft aber schon jetzt einen langen Schatten auf die künftige Schuldenentwicklung: Das Landratsamts-Gebäude in Esslingen muss im neuen Jahrzehnt ersetzt oder saniert werden. Ein Grundsatzbeschluss darüber soll noch in diesem Jahr im Kreistag fallen. Doch auch ohne dies muss der Kreis bis 2020 mit einem Investitionsbedarf in Höhe von mehr als 130 Millionen Euro rechnen.

Die Kommunen nicht weiter belasten und dem Landkreis die nötigen Spielräume gewähren, aus Sicht von SPD und Freien Wählern geht das auch ohne eine Erhöhung der Kreisumlage. Allein durch die prozentuale Beteiligung an der gestiegenen Steuerkraft der Gemeinden, habe der Kreis 17 Millionen Euro mehr in der Kasse, betonte FW-Fraktionschef Bernhard Richter. Als Gegenfinanzierung schlug Richter eine Umschichtung von Rücklagen und eine Kürzungspauschale bei den Personalkosten vor.

Die Kreistags-Grünen wollten dem nicht folgen. Wohl aber dem Vorschlag der Verwaltung, den Umlagesatz auf 34 Punkte zu erhöhen. Fraktionschefin Marianne Erdrich-Sommer will angesichts der zu erwartenden Invesitionen am Schuldenabbau festhalten, zumal nicht absehbar sei, wie lange die gute Konjunkturlage anhalte. „Die gute Steuerkraft macht die Kreisumlage für die Gemeinden derzeit verkraftbar, auch wenn niemand behauptet, dass dies einfach ist,“ sagte die Grünen-Chefin. Und an die Adresse von SPD und Freien Wähler gerichtet: „In guten Zeiten wie diesen brauchen wir keine Finanztricks, um die Kreisumlage zu senken.“