Rund 4 700 Flüchtlinge leben zurzeit im Kreis Esslingen. Etwa die Hälfte von ihnen hat keine Chance, hier bleiben zu dürfen, weil ihr Herkunftsland nach dem Urteil von Politik und Behörden als sicher gilt. Statt auf Abschiebung setzen Bund und Länder seit Jahresbeginn verstärkt auf Einsicht und freiwillige Ausreise. Für die Betroffenen bedeutet Freiwilligkeit eine geordnetere Rückkehr in die Heimat, der Staat hierzulande spart dabei Geld. Was in den meisten Landkreisen bereits Praxis ist, soll ab Sommer auch im Kreis Esslingen gelten: Wer einsichtig ist, erhält ausführliche Beratung und eine Startprämie. Der Landkreis schafft dafür eine zusätzliche Personalstelle, die bis 2020 befristet sein wird.
Eine Investition, die eigentlich keine ist. 48 000 Euro soll die Stelle in diesem Jahr kosten. Danach rund 103 000 Euro jährlich. Geld, das man vorne ausgibt und das hinten als ein Vielfaches wieder hereinkommt, davon ist man im Esslinger Landratsamt überzeugt. Seit 2014 ist die Zahl der Rückkehrwilligen im Kreis kontinuierlich gestiegen. Von gerade mal elf auf 87 Personen im vergangenen Jahr. Die geschätzten Einsparungen für 2016: Etwa 730 000 Euro. Weil Asylverfahren inzwischen schneller gehen, rechnet die Verwaltung im nächsten Jahr mit bis zu 250 freiwilligen Rückkehrern. Für Landrat Heinz Eininger ein Modell, das beiden Seiten nützt. „Die Menschen profitieren von einer geordneten Rückkehr, und wir sorgen dafür, dass sie nicht jahrelang in Sozialsystemen unterwegs sind.“
Warnung vor „Drehtür-Effekt“
Auf politischen Widerstand trifft das Projekt bei keiner der im Kreistag vertretenen Fraktionen, auch wenn Sozialverbände und Asylkreise im Bund die Regelung als „Hau-ab-Prämie“ verurteilen. Auf die Bedeutung intensiver Beratung wies Carla Bregenzer (SPD) hin. Sie müsse an Existenzchancen in der Heimat gekoppelt sein, sonst drohe ein „Drehtür-Effekt“, betonte sie. Die Beratung solle zudem in den Unterkünften erfolgen, am besten durch Mitarbeiter von Partnern wie der Arbeiterwohlfahrt (AWO), weil die den besten Zugang zu den Menschen und die größte Erfahrung hätten. „Die meisten Flüchtlinge verbinden mit Behörden nur Widerstand,“ gab Bregenzer zu bedenken.
Die CDU scheiterte im Sozialausschuss mit ihrem Antrag, die Stelle zunächst nur bis 2019 zu befristen. Trotz breiter Unterstützung aus dem Lager der Freien Wähler fand der Vorstoß bei zehn Ja- und ebenso vielen Gegenstimmen keine Mehrheit. CDU-Fraktionschefin Ursula Merkle rief dazu auf, das Thema Abschiebung „stringenter zu handhaben.“ Wer hier ein Bleiberecht habe und wer nicht, sei rechtsstaatlich geregelt, bemerkte sie. Was wiederum den Landrat, immerhin auch ein Mann mit CDU-Parteibuch, auf die Palme brachte. Beim Thema Abschiebung gebe es „einen Sack voll rechtsstaatlicher Hinderungsgründe“, meinte Heinz Eininger. Deshalb müsse man Wege finden, auf denen man die Menschen zur freiwilligen Rückkehr bewege. „Wir hatten im vergangenen Jahr hier im Kreis 43 Abschiebungen“, sagte Eininger. „Von denen ist die Hälfte inzwischen wieder hier.“