Zwischen Neckar und Alb

Gysi appelliert: „Werdet rebellischer!“

Veranstaltung Der ­Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi sprach in ­Nürtingen beim Tag der Finanzen der Hochschule.

Foto: Jürgen Holzwarth
Foto: Jürgen Holzwarth

Nürtingen. Wer einen Platz in der Nürtinger Stadthalle zum Vortrag von Gregor Gysi ergattern wollte, musste etwas Geduld mitbringen. Bis hinter die Kreuzkirche reichte die Schlange. Professor Dr. Dr. Dietmar Ernst von der HfWU freute sich über das große Interesse. Seit der Einführung des Tags der Finanzen vor 13 Jahren ist es ihm und seinem Team gelungen, immer wieder auch hochkarätige Gastreferenten zu bekommen.

„Die Welt ist aus den Fugen geraten“, begann Gysi seinen Vortrag. Der Grund: Man habe sich keine Gedanken gemacht, wie das Völkerrecht hätte verändert werden müssen nach dem Ende des Kalten Krieges.

Der Wahlsieg Trumps in den USA sei zum einen das Ergebnis der Unzufriedenheit der Leute mit dem Establishment. „Bei uns ist es noch nicht ganz so weit, aber in zwei Jahren“, sagte Gysi. Ein zweiter Grund für Trumps Wahl sei: „Die Amis haben ein anderes Verständnis von Erfolg.“ Der Milliardär symbolisiere diesen.

Gysi streifte eine Vielzahl von Themen: „Ich dachte immer, mit der Zivilisation geht es nur nach vorne. Heute bin ich mir da nicht mehr sicher.“ Die Welt rücke zusammen, so Gysi, doch es fehle an Leuten, „die Visionen haben für die Weltgemeinschaft“.

Die EU sei unsolidarisch, unsozial, ökologisch nicht nachhaltig. Warum sie also trotzdem erhalten: „Der Nationalstaat hat weltpolitisch nicht die geringste Chance“, so Gysi. Und: „Die Jugend ist europäisch, sie hat Grenzen nie erlebt. Diese wieder einzuführen, können wir ihr nicht zumuten.“

Wenn Marine Le Pen Frankreichs Präsidentin werde, sei die EU „mausetot“, sagte Gysi. In Deutschland bereite ihm die Auseinanderentwicklung der Gesellschaft durch prekäre Beschäftigung Sorge. Es fehle an Investitionen, sagte der Linken-Politiker, und attestierte der Bundesregierung ein „sexuell erotisches Verhältnis zur schwarzen Null“. Zum Umgang mit der AfD sagte er: „Wir müssen das Interesse abbauen, sie zu wählen.“ Die CDU müsse wieder konservativ werden, die SPD wieder sozialdemokratisch.

Zum Schluss appellierte er an die Studenten: „Ihr jungen Leute müsst eure Aufgaben besser wahrnehmen. Werdet rebellischer, das ist eure Aufgabe.“Henrik Sauer