Zwischen Neckar und Alb

Haft für Silvester-Übergriffe

Jugendschöffengericht in Nürtingen verurteilt 21-jährigen Iraker

Die Wahrheitsfindung war schwierig – die Aussagen widersprüchlich. Am Ende verurteilte das Jugendschöffengericht in Nürtingen einen Iraker.

Nürtingen. Was sich in der Silvesternacht auf dem Stuttgarter Schlossplatz genau zugetragen hat, wird sich wohl nie vollständig aufklären lassen. Fest steht, dass zwei junge Frauen von einer Gruppe arabisch aussehender Männer massiv sexuell bedrängt wurden. Nun musste das Nürtinger Jugendschöffengericht unter Vorsitz von Astrid Hagen ergründen, ob der Angeklagte, ein 21-jähriger irakischer Asylbewerber, der vor seiner Untersuchungshaft in der Flüchtlingsunterkunft in Aichtal wohnte, an der Tat beteiligt war. Nach drei Verhandlungstagen stand für die Juristin und ihre beiden Schöffen fest: der Angeklagte ist schuldig.

Der Mann selbst hatte stets seine Unschuld beteuert. Er räumte zwar ein, in der Gruppe dabei gewesen zu sein, aber er habe den Mädchen nur helfen wollen. Seine Freunde, die nicht in dem Pulk dabei waren, aber mit dem Angeklagten in Stuttgart den Jahreswechsel feiern wollten, bestätigten diese Version.

Lange drehte sich das Verfahren um die Kleidung des 21-Jährigen. Zeugen schilderten einen jungen, auffallend großen und schlanken Mann in einer roten Jacke als den Haupttäter, der eines der Mädchen im Schwitzkasten gehabt oder weggetragen haben soll. Zwei der Zeugen wollten die Übergriffe unterbinden. Dabei sprangen ihnen auch Araber zur Seite. „Die anderen waren aber zu viele“, sagte einer von ihnen.

Widersprüche gab es darin, ob der Mann mit der roten Jacke auch tatsächlich der Angeklagte gewesen sei – denn bei der Festnahme trug er überhaupt keine Jacke. Eine Polizistin sagte aus, dass der Angeklagte festgenommen wurde, während ein Unbekannter in Rot flüchtete. Auch die Zeugen waren sich nicht mehr sicher. Erst ein Foto, das auf dem Smartphone des Angeklagten gefunden wurde, erhärtete den Verdacht gegen den Angeklagten: Er hatte sich auf dem Schlossplatz fotografieren lassen – mit einer auffallend roten Jacke und einer dunklen Mütze. So hatte ihn die damals 16-jährige von den Übergriffen Betroffene kurz nach der Tat beschrieben und war überzeugt, ihn auf diesem Foto wiederzuerkennen.

Das Gericht folgte bei seinem Urteil dem von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafmaß und urteilte nach Erwachsenenstrafrecht. Der Angeklagte komme sogar als Haupttäter infrage, so Hagen. Durch die Taten in der Silvesternacht sei „das Sicherheitsempfinden aller Bürger beeinträchtigt“ worden. Das Verhalten des 21-Jährigen habe sich auch nach der Tat nicht geändert: Im Polizeibus habe er eine Polizistin mit obszönen Gesten belästigt. „Es gibt keine Umstände, die Strafe zur Bewährung auszusetzen“, so die Richterin. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Verteidiger des Irakers kündigte an, Rechtsmittel zu prüfen.