Zwischen Neckar und Alb

„Hamburg als Tor zur Welt bietet sich für einen Politgipfel an“

Politik In der Hansestadt tagen ab morgen die 20 wichtigsten Staatschefs der Welt. Drei Fragen dazu an den Ex-Kirchheimer und Wahl-Hamburger Heiko Unbehaun. Von Irene Strifler

Polizeipräsenz in bislang ungekanntem Ausmaß prägt derzeit die Stadt Hamburg - unübersehbar für jedermann.Foto: dpa
Polizeipräsenz in bislang ungekanntem Ausmaß prägt derzeit die Stadt Hamburg - unübersehbar für jedermann. Foto: dpa
Heiko Unbehaun. Foto: privat

Die Nerven scheinen blank zu liegen in Hamburg, so viel bekommt man auch im Schwabenländle mit. Der Grund: Die Chefs der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer tagen ab morgen in der Elbmetropole. Die Sicherheitslage ist angespannt, es kam bereits zu Auseinandersetzungen zwischen Gipfelgegnern und Polizisten.

Hamburg im Ausnahmezustand: Was bekommt der Bürger zu spüren?

Heiko Unbehaun: Je dichter man der Innenstadt kommt, desto mehr fällt die Polizeipräsenz auf. Junge Polizisten aus ganz Deutschland bemühen sich, den Bürgern Sicherheit zu vermitteln und für notwendige Maßnahmen bereitzustehen. Als Hamburger fühlte man sich bereits im Vorfeld gut informiert. Jetzt, in der heißen Phase, stehen ein Bürgertelefon sowie die Social-Media-Teams der Polizei 24 Stunden zur Verfügung. Sperrungen gibt es bisher außer bei vereinzelten Übungen kaum. Das wird sich aber wohl heute entscheidend ändern. Was im Vergleich zu sonst auffällt, ist die größere Unruhe: Viel mehr Martinshorn, mehr Hubschrauberflüge rund um die Uhr und eine deutlich höhere Medienpräsenz - das alles ist nicht zu übersehen.

Wie ist jetzt die Stimmung in der Bevölkerung?

Unbehaun: Auch in Hamburg gibt es natürlich die Gipfelgegner, die Befürworter und die gelassenen Hanseaten, die aus Erfahrung wissen, dass jede Sturmflut auch wieder abläuft, so ganz sicher auch diese politische. Die ersten friedlichen Demos haben gezeigt, dass Hamburg nicht im Chaos versinken muss, auch wenn die aus ganz Deutschland und dem Ausland angereisten und anreisenden Extremisten das vielleicht anders möchten. Die ersten Konfrontationen mit den Ordnungskräften, das Hü und Hott der Gerichte, die Aufforderung des schwarzen Blocks, die Stadt samt Hafen, Verkehr und öffentlicher Ordnung aus den Fugen zu reißen, diese Maßlosigkeit und Gewaltbereitschaft ist es, was die Stimmung der Hamburger im Moment mehr und mehr kippen lässt. Auch im Gespräch mit den Polzisten erfährt man von deren mulmigem Gefühl. Derzeit drängen sich Sorgen und Ängste in den Vordergrund. Viele Menschen werden deshalb, soweit möglich, das Haus nicht verlassen, oder rechtzeitig in den Kurzurlaub starten, irgendwohin, wo es schön ist. Zum Beispiel nach Kirchheim. Menschen, die am Rand der Strecke stehen und US-Fähnchen schwenken, werden wir wohl in Hamburg diesmal eher nicht sehen.

Hamburg wird zum Zentrum der Macht. Ist das gut für die Metropole, oder sollten sich die prominenten Politakteure nicht lieber auf einer Hallig treffen?

Unbehaun: Die Idee, den Gipfel auf einer Hallig abzuhalten, scheint reizvoll, doch jeder vernunftbegabte Mensch muss einsehen, dass die Infrastruktur einer Metropole erforderlich ist, um eine solche Großveranstaltung durchzuführen. Der Gedanke an Hamburg als Tor zur Welt liegt da schon nah. Und wenn man sich fragt, was den Gipfel hier so schwierig macht, warum so ein großes Polizeiaufgebot erforderlich ist, warum sogar die üblichen Einsatzkräfte Zwölfstundenschichten schieben, stößt man immer wieder auf die Ankündigung der Linksautonomen, den Gipfel mit Gewalt verhindern zu wollen. Als in Deutschland in den 1980er-Jahren in Mutlangen gegen die Stationierung der Pershing II demonstriert wurde, gab es auch Blockaden. Damals wäre aber wohl niemand auf die Idee gekommen, einen Aufruf zu starten, die Polizisten nach Dienst nach Hause zu verfolgen, ihre Familien zu bedrohen oder die Radmuttern ihrer Privatautos zu lösen, wie zuletzt in Hamburg geschehen.