Zwischen Neckar und Alb

Hat er sie ermordet und zerstückelt im Neckar versenkt?

Gericht In Stuttgart hat der Prozess zum Mettinger Mord begonnen. Der Angeklagte kannte das Opfer.

Symbolbild: Jörg Bächle
Symbolbild: Jörg Bächle

Esslingen. Hat ein Rentner am 26. September 2017 eine 72-Jährige in seiner Wohnung in Mettingen erschlagen, zerteilt und die Leichenteile anschließend im Neckar versenkt? Der Antwort auf diese Frage kamen die Richter der Neunten Schwurgerichtskammer des Stuttgarter Landgerichts auch am zweiten Verhandlungstag nur mühsam näher. Wie beim Prozessauftakt schwieg der Angeklagte. Ab und an flüsterte der 76 Jahre alte Mann seiner Verteidigerin etwas ins Ohr, immer mal wieder tupfte er sich die Augen mit der Spitze seines Taschentuchs ab. Ansonsten nahm er fast regungslos an der Sitzung teil.

In erster Linie ging es darum, mehr über das familiäre Umfeld des Opfers in Erfahrung zu bringen und die letzten Tage und Wochen vor ihrem Ableben zu beleuchten. Bis zu ihrem Tod lebte sie gemeinsam mit einem 58-Jährigen in Obertürkheim. Er habe die Frau 2004 auf einer Kaffeefahrt kennengelernt. „Am Anfang haben wir uns gut verstanden, später nicht mehr so“, sagte er im Zeugenstand. Wie sich bei den Befragungen herausstellte, haben die beiden immer weniger miteinander besprochen. Über die Ergebnisse von Arztbesuchen - unter Paaren sicherlich ein Thema - wurde beispielsweise kein Wort verloren. Stattdessen seien zu Seifenopern und Quizsendungen Kreuzworträtsel gelöst worden.

Messie-Wohnung in Plieningen

Ihr Sohn geht im Zeugenstand noch einen Schritt weiter. „Aus meiner Sicht war es irgendwann eine Zweckgemeinschaft.“ Sie soll den Mann finanziell an der Nase herumgeführt haben. Sie habe ihm vorgegaukelt, dass sie kein Geld habe. Ihr Konto war jedoch mit rund 20 000 Euro im Plus, außerdem hatte sie die Eigentumswohnung in Plieningen - anders als ihm gegenüber behauptet - längst abbezahlt. Warum sie so vorgegangen ist, konnte sich der Sohn, der in den vergangenen Jahren kaum noch Kontakt zu seiner Mutter hatte, nur schwer erklären. „Sie hat sich auch von Freundinnen kleine Geldsummen geliehen, obwohl sie es nicht nötig hatte.“ Seine Mutter sei krank gewesen, habe eine Sammelleidenschaft gehabt. Statt etwas wegzuwerfen, habe sie es in ihrer Wohnung in Plieningen gehortet, die dadurch nicht mehr bewohnbar gewesen sei.

Das Opfer soll ihrem Lebensgefährten jedoch nicht nur in finanzieller Hinsicht Lügen aufgetischt haben. Im Sommer 2017 habe sie vorgegeben, mit ihrer Freundin Uschi im Urlaub am Balaton gewesen zu sein. Dass der Lebensgefährte nie Fotos aus Ungarn zu Gesicht bekommen hat, störte ihn offenbar nicht.

Eine Urlaubsreise vorgetäuscht

Stutzig wurde er erst nach dem Tod seiner Partnerin, als er die Taschen, in der sie ihren Schriftverkehr gesammelt hatte, durchschaute. Darin befanden sich Reiseunterlagen, in denen der Name des Angeklagten auftauchte. Außerdem entdeckte ihr Sohn eine Rechnung eines Esslinger Schmuckgeschäfts über 2 450 Euro. Diese war auf den Namen des Angeklagten ausgestellt. Darauf: „Ein Damenring in Größe 61 und ein Herrenring des gleichen Modells in Größe 62“, verlas der Richter.

Peter Winckler, Forensiker und Facharzt für Psychiatrie, ging der Frage nach, ob die Verstorbene von einem besseren Leben geträumt habe. „Ja, ohne Sorgen, wie nach einem Lotto-Gewinn“, bestätigte der Sohn dem Gutachter. Ein wohlhabender Arzt hätte aber wohl auch gepasst, so der 43-Jährige. Ob der Tatverdächtige dieser Mann für gewesen ist, blieb unklar. In den Vernehmungen der Polizei habe der 76-jährige Esslinger zwar bestätigt, dass er das Opfer gekannt und sie am Tag des Verschwindens gesehen habe, sagte einer der Kriminalhauptkommissare, die mit dem Fall betraut waren, vor Gericht aus. Die Tat habe er aber bestritten.

Für den Prozess, der am 11. Juni fortgesetzt wird, sind noch sieben weitere Verhandlungstage angesetzt.Sebastian Steegmüller