Zwischen Neckar und Alb

Hat Martin Luther gut übersetzt?

„Oft hat der wirkliche Luther besser übersetzt als die Revisionisten“, sagt Pfarrer Dr. Werner Grimm. Mit Revisionisten sind die Theologen gemeint, die die Lutherbibel immer wieder sprachlich überarbeitet haben, etwa in den Jahren 1912, 1956/64 und 1984. Ab Oktober 2016 ist die Lutherbibel 2017 erhältlich, die zum fünfhundertjährigen Reformationsjubiläum erscheint. In Psalm 23 gibt es Diskussionen über eine Feinheit: Meint der Psalmist, dass er immer wieder zum Haus Gottes zurückkehrt, wie ein Gottesdienstbesucher, oder dass er ständig dort bleibt, wie ein Priester? „Ich neige zum ständigen Bleiben“, sagt Grimm, und findet Luthers Formulierung „werde bleiben im Hause des Herrn immerdar“ sehr gelungen. Er präsentierte aber im Kurs auch eine Fehlleistung Luthers, die bisher merkwürdigerweise nicht korrigiert wurde. In der Lutherbibel 1984 liest sich Micha 6,8 so: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ Das mit „Gottes Wort halten“ stehe nicht da, sagt Grimm. „Da hat Luther mit dem hebräischen Begriff nichts anfangen können.“ In ihm gehe es darum, für das Recht einzutreten, damit auch der Arme zu seinem Recht komme, um soziale Gerechtigkeit. So entstehe in dem Vers ein magisches Dreieck: Es reiche von der Gerechtigkeit in der Gesellschaft über die emotionale Verbundenheit mit den näheren Menschen bis zum Verhältnis zu Gott. „Beim ‚demütig sein‘ steht ein ganz seltenes hebräisches Wort. Es beschreibt einen, der einen Weg geht, hörend und mit Ehrfurcht die Winke von oben vernehmend.“pd