Zwischen Neckar und Alb

„Hauptsache, sie fahren wieder“

Bergrennen Vor 34 Jahren fand auf der Neuffener Steige zum letzten Mal ein Rennen statt. Nach einem tragischen Unfall wurde die Veranstaltung abgeschafft. Nun möchte eine Interessengemeinschaft das Renn-Event wiederbeleben. Von Matthäus Klemke

Walter Rothweiler nahm mit seinem Ford Capri viermal am Neuffener Bergrennen teil.Foto Matthäus Klemke
Walter Rothweiler nahm mit seinem Ford Capri viermal am Neuffener Bergrennen teil.Foto Matthäus Klemke

Hin und wieder holt Walter Rothweiler seinen Ford Capri noch aus der Garage. Zum Beispiel zu besonderen Anlässen wie dem Neuffener Winzerfest am Sonntag. Um die zehn Autos, die schon am Bergrennen teilgenommen haben, waren hier zu sehen, darunter auch Rothweilers blauer Ford. 43 Jahre ist es her, dass er sich einen großen Wunsch erfüllt und das Auto in Frickenhausen gekauft hat. „Kaum war ich zu Hause, setzte ich die Flex an und machte den Kotflügel ab.“ Rothweilers größter Traum war es, beim Neuffener Bergrennen anzutreten. Dafür musste der Wagen natürlich umgerüstet werden.

Das Auto glänzt noch immer, als käme es gerade frisch vom Laufband. Auf der Kilometeranzeige stehen gerade mal 51 040 Kilometer. „Das Auto sieht besser aus als der Fahrer“, scherzt Rothweiler. Insgesamt viermal ist er mit seinem Ford beim Rennen in Neuffen angetreten: „Jeder hat auf das Bergrennen hingefiebert“, erinnert er sich.

Zwischen 1963 und 1982 gingen die Rennfahrer jeden September auf der Neuffener Steige an den Start. Die rund 120 Teilnehmer kamen aus ganz Deutschland, da­runter auch bekannte Namen wie Hans-Joachim Stuck und Leopold Prinz von Bayern. Für den gebürtigen Linsenhofener Rothweiler war das Neuffener Rennen quasi ein Heimspiel: „Vom Streckenrand aus hat mir meine gesamte Verwandtschaft zugejubelt. Das war schon ein erhebendes Gefühl.“

Bis zu 38 000 Zuschauer zog das Renn-Event jedes Jahr an. „Die Leute sind Wochen vorher an die Strecke gekommen und haben sich Bänke gebaut, von denen aus sie eine besonders gute Sicht auf die Piste hatten“, erzählt Michael Turco von der Interessengemeinschaft Bergpreis Schwäbische Alb, die die Fahrzeug-Ausstellung organisiert hat. „An den Rennwochenenden war die ganze Stadt voll mit Menschen. Alle Zimmer in der Umgebung waren ausgebucht“, so Turco. Er erinnert sich noch daran, welche Faszination von den Rennteilnehmern ausging: „Als Zehnjähriger konnte ich aus dem Schulfenster beobachten, wie die Autos und Motorräder in die Stadt kamen. Dann lief ich schnell nach Hause, hab den Schulranzen in die Ecke geworfen und ab zur Rennstrecke. Mein Vater fragte nur, ob ich wieder zu den Verrückten ginge.“

Als „Verrückte“ wurden die Teilnehmer häufiger bezeichnet – nicht nur weil sie Unmengen Geld in ihre Fahrzeuge pumpten, um sie konkurrenzfähig zu halten, sondern auch, weil die Rennen nicht ganz ungefährlich waren: „Am beliebtesten waren die Seitenwagenrennen. Die Beifahrer hingen nur wenige Zentimeter über dem Boden und haben versucht, das Gewicht auszubalancieren“, sagt Turco.

Das Bergrennen übte jedoch nicht auf jeden eine Faszination aus: „Mit der grünen Bewegung gab es immer mehr Leute, die Umweltbedenken hatten“, so Turco. Vor den Rennen wurden Flyer verteilt, um gegen das Event zu protestieren.

Das endgültige Aus kam 1982, als ein Kind bei einem Unfall während des Rennens ums Leben kam. „Einer der Fahrer verlor in einer Kurve die Kontrolle über seinen Wagen und kam von der Strecke. Er prallte gegen einen Baum, an dem ein Mann und sein Sohn saßen“, sagt Turco. Der Junge sei noch auf dem Weg ins Krankenhaus verstorben.

34 Jahre nach diesem tragischen Unfall möchte die Interessengemeinschaft das Bergrennen wiederbeleben, jedoch in einer anderen Form: „Das Wort ,Rennen‘ sollte man in diesem Zusammenhang am besten gar nicht in den Mund nehmen“, sagt Turco. Vielmehr soll es eine Präsentation der alten Rennwagen sein. „Es soll nicht mehr darum gehen, wer der Schnellste ist. Hauptsache ist, die Autos fahren wieder. Immerhin heißt es ,Fahrzeug‘ und nicht ,Stehzeug‘.“

Für den Anfang könnte Turco sich eine Art Wagen-Schau vorstellen: „Man könnte die Autos auf einer Bühne präsentieren und das Ganze übers Mikro moderieren.“ Das könne zum Beispiel im Ortskern stattfinden. Irgendwann soll es aber an den Originalschauplatz von damals, die Neuffener Steige, gehen, wünscht sich Turco. Jetzt hofft die Interessengemeinschaft auf die Unterstützung des Landrats. Sollte das Vorhaben gelingen, hätte wohl auch Walter Rothweiler wieder einen Grund mehr, seinen Ford Capri aus der Garage zu holen.