Selten hat der Esslinger Gemeinderat eine so emotionale Debatte erlebt wie diese - bis zuletzt war die Zukunft des Theodor-Haecker-Preises heiß umstritten. Während Oberbürgermeister Jürgen Zieger, Grüne, SPD, Linke und FÜR dafür plädierten, das Profil der Auszeichnung nach den Vorstellungen des Kulturamts weiter zu schärfen, wollten Freie Wähler, CDU und FDP den Preis zumindest aussetzen, weil ihnen die Korrekturen nicht weit genug gingen. Am Ende setzten sich die Befürworter mit 20:17 Stimmen durch. Doch die Verstimmung war nach kontroverser Auseinandersetzung mit Händen zu greifen.
Die Auszeichnung wird seit 1995 an Menschen vergeben, die sich in herausragender Weise für Menschenrechte, Frieden und Demokratie einsetzen. Obwohl der Theodor-Haecker-Preis, der mit 10 000 Euro dotiert ist, nach Einschätzung der Kulturverwaltung „bundesweit zu den wichtigsten Menschenrechtspreisen zählt und auch in der überregionalen Presse Beachtung findet“, sieht die Stadt Entwicklungspotenzial.
Neue Zielgruppen erschließen
Künftig soll er „Theodor-Haecker-Preis der Stadt Esslingen am Neckar - Internationaler Menschenrechtspreis für politischen Mut“ heißen. Um die Wahrnehmung in der Stadt und darüber hinaus zu stärken und neue Zielgruppen zu gewinnen, soll die Preisverleihung moderner gestaltet werden. Unverändert bleiben internationale Ausrichtung und Dotierung. Die Ehrengabe für Jugendliche, Journalisten, Wissenschaftler und Künstler, die sich mit Haeckers Leben und mit Themen wie Radikalismus und Gewalt beschäftigen, wird künftig mit 1500 statt mit bislang 250 Euro dotiert.
OB Jürgen Zieger warb eindringlich: „Es geht darum, Menschen zu würdigen und zu unterstützen, die sich unter großen Gefahren einsetzen für Freiheit und Menschenrechte. Dieser Preis ist Ausdruck unseres Selbstverständnisses als Friedensstadt.“ Eine Abschaffung wäre für Zieger ein Tabubruch. Und Kulturamtsleiterin Alexa Heyder betonte die Bedeutung solcher Signale: „In einer globalisierten Welt, in der aktuell die Liste der Länder, in denen Menschen, die sich für Menschenrechte, Freiheit, Gleichbehandlung oder freie Meinungsäußerung einsetzen, bedroht, verhaftet oder verurteilt werden, immer länger wird, dürfen wir die Augen nicht verschließen.“
Marco Bertazzoni (Grüne) fand, der Preis sei „etwas Besonderes für die Preisträger und für die Stadt“. Die Diskussionen über die Weiterentwicklung hätten „die richtigen Entwicklungen angestoßen“. Nicolas Fink (SPD) erinnerte daran, dass der Haecker-Preis Mitte der 90er-Jahre fraktionsübergreifend initiiert wurde. Marketing-Aspekte hätten nie eine Rolle gespielt: „Wer das zum Maßstab macht, entwertet den Preis.“ Klar war für Fink: „Modifikation ja - Abschaffung nein.“
Alexander Kögel (Freie Wähler) betonte, das Gedenken an Haecker sei seiner Fraktion ein großes Anliegen - eine Preisverleihung um des Preises Willen nicht: „Die Auszeichnung hat ihre Strahlkraft verloren. Die geplante Optimierung wird das nicht ändern.“ Eine Aussetzung des Haecker-Preises sei richtig. Tim Hauser (CDU) monierte, der Preis sei nicht ausreichend in der Stadt verankert: „Eine grundlegende Überarbeitung des Konzepts wäre nötig. Wir hätten eine komplett neue Ausrichtung gebraucht. Deshalb wäre eine Aussetzung nötig.“ Und Sven Kobbelt (FDP) erklärte: „Wir freuen uns, dass die Diskussionen, die wir angestoßen haben, zum Nachdenken geführt haben. Beim Kulturfest ist das gelungen, beim Haecker-Preis nicht. Was uns vorgelegt wurde, ist mehr Kosmetik als Neukonzeption.“ Martin Auerbach (Linke) betonte: „Wir müssen uns stark machen für die Menschenrechte, weil wir Teil einer globalen Welt sind und unseren Beitrag leisten und Verantwortung übernehmen müssen.“ Und Dilek Toy (FÜR) zeigte sich empört, dass eine Abschaffung des Preises überhaupt erwogen werde.
So wurde die Ratsdebatte immer hitziger. Andreas Koch (SPD), einer der Initiatoren des Haecker-Preises, plädierte für ein klares Bekenntnis zu dieser Auszeichnung: „Wir sind drauf und dran, eine schwarze Stunde zu erleben.“ Dagegen sah Annette Silberhorn-Hemminger (Freie Wähler) eine moralische Überhöhung des Preises: „Wir lassen uns nicht absprechen, dass wir etwas verändern wollen in der Welt.“ Esslingen könne aber „nicht alles heilen, was schiefläuft“. Carmen Tittel (Grüne) konterte: „Es geht nicht darum, wie weit oben dieser Preis bei Google gelistet ist. Es wäre ein schlechtes Zeichen, den Preis ausgerechnet in einer Zeit abzuschaffen, in der es an vielen Ecken in der Welt brennt.“
Schließlich wurde das neue Konzept mit drei Stimmen Mehrheit beschlossen.