Zwischen Neckar und Alb

Hier gibt es nicht nur einen Gewinner

Technik Beim Wettbewerb des Fraunhofer-Instituts in Wernau kürte die Jury einen Sieger: Thomas Schneider überzeugt mit einem „VR-Headset“ für stark sehbehinderte Menschen. Von Peter Dietrich

Foto: Peter Dietrich
Foto: Peter Dietrich

Die Begeisterung ist groß.„Hut ab, schöne Lösung!“, rief Andrea Berghammer spontan aus, als sie das „VR-Headset“ von Thomas Schneider aus St. Ingbert das erste Mal aufgesetzt und ertastet hatte. „Das ist mein Favorit. Er sitzt gut, ist leicht und stabil, die Handhabung ist so einfach!“ Nur einen Mangel fand die Vorstandsbeisitzerin beim Blinden- und Sehbehindertenverband Württemberg BSVW noch: Das Headset kippe leicht nach unten, es brauche ein weiteres Gummiband über den Kopf. Mit insgesamt 97,9 Punkten ließ dieses Design für stark sehbehinderte Menschen die vier anderen Bewerber deutlich hinter sich. Der Wettbewerb, den das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart, das Wernauer 3D-Druck-Start-Up rioprinto und der BSVW ausgeschrieben hatten, hatte es in sich.

In seiner Videopräsentation kippte Schneider einen ganzen Korb voller Fehlteile auf den Tisch. Er musste lange probieren und verbessern, bis sein Design stand.

Doch warum so etwas neu erfinden? „VR-Headsets“ mit Schublade fürs Smartphone gibt es doch schon. Ja, aber sie lassen sich nicht anpassen, weder beim Pupillenabstand noch im Abstand der Linsen vom Display. Das ist aber nötig, damit Menschen mit starker Sehbehinderung damit gut lesen können. Mithilfe der App, die Thomas Felix von Fraunhofer IPA programmiert hat, kann der Lesende per Kopfbewegung im Text navigieren. Dazu wird der Lagesensor des Smartphones genutzt.

Brillen-App ist frei verfügbar

Der Wettbewerb ging vom Bundesministerium für Bildung und Forschung aus und wurde von diesem gefördert. Das Siegerdesign wird von Fraunhofer IPA ins Netz gestellt, zusammen mit der App, und ist frei verfügbar. Jeder kann sich das Headset selbst im 3D-Druck ausdrucken oder ausdrucken lassen. Günstige Kunststofflinsen gibt es von Edmund Optics, Shogee oder Zeiss, die gesamten Materialkosten dürften dennoch bei etwa 100 bis 200 Euro liegen. Eine Alternative ist das verblüffend einfache Design, das Fraunhofer IPA selbst - außer Konkurrenz - entwickelt hat. Bei ihm lässt sich der Pupillenabstand nicht verstellen, es wird ein für den jeweiligen Nutzer passender Linsenträger ausgedruckt.

Neun Kriterien hatte die Jury festgelegt: Wie gut lässt sich der Pupillenabstand einstellen, wie gut der Linsenabstand, wie gut lassen sich diese Einstellungen fixieren? Wie gut klappt das Einsetzen des Smartphones, lässt es sich nach dem Einsetzen noch bedienen? Wie ist der Tragekomfort, wie gut ist das Design für den 3D-Druck optimiert? Wie gut ist das Headset gegen Licht geschützt? Für diesen Schutz hatte sich der Siegertüftler einen Rahmen aus elastischem Material einfallen lassen. Schließlich wurde noch der Gesamteindruck bewertet.

In der kreativen Maker-Bewegung, die oft als Hobby verschiedenste Designs für den 3D-Druck entwirft, müssen es nicht immer Spezialteile sein. So setzte der Sieger zur Linsenfixierung Federn aus Kugelschreibern ein, der Drittplatzierte nahm als Hinterkopfgurt einen Fahrradschlauch.

Rioprinto-Geschäftsführer Manual Stange ist mit dem Ergebnis des Wettbewerbs sehr zufrieden. Er kann sich beim Siegerdesign auch eine Kombination vorstellen: Das immer gleiche, große Gehäuse könnte im Spritzgussverfahren entstehen, die anderen Teile wie die individuelle Aufnahme für das Smartphone im 3D-Druck.

Die weiteren Gewinner des Wettbewerbs stehen auch schon fest: Es sind stark sehbehinderte Menschen.