Zwischen Neckar und Alb
Homeoffice bleibt im Trend

Wandel Viele Firmen im Landkreis Esslingen setzen auch nach Corona auf flexiblere Arbeitsmodelle. Von Julia Hawener

Aus dem gemeinsamen Mittagessen in der Kantine wurde der einsame Lunch am Couchtisch, und persönliche Diskussionen in Konferenzräumen wurden durch Videoanrufe ersetzt. Rund 43 Prozent der Beschäftigen in Baden-Württemberg waren während der zweiten Coronawelle im Homeoffice und nach einer Erhebung der Krankenkasse DAK wollen 56 Prozent von ihnen auch in Zukunft ganz oder wenigstens zum Teil weiterhin von zu Hause arbeiten.

Für Christine Sing, selbstständige Beraterin für Frauen und Unternehmen, die das neue Leben und Arbeiten gestalten wollen, ist das keine große Überraschung: „Homeoffice bedeutet für viele einfach weniger Stress“, sagt sie. Ein Grund dafür seien die weggefallenen Anfahrtswege. Verspätete Bahnen, Staus auf der Straße – pendeln sei anstrengend. Zudem sei konzentriertes Arbeiten in Großraumbüros oft eine echte Herausforderung. „Gerade in sehr traditionell geführten Unternehmen hätte es vielleicht noch Jahrzehnte gedauert, bis das mobile Arbeiten in so großem Umfang implementiert worden wäre“, ist sich Sing sicher. Einige Unternehmen wurden nämlich durch die Bundesnotbremse und die damit eingeführte Homeoffice-Pflicht gezwungen, neue Arbeitsmodelle zu schaffen. Am 1. Juli wurde diese Regelung wegen der sinkenden Coronazahlen wieder aufgehoben. Steht nun der Weg zurück in die Präsenzkultur bevor?

 

Vielleicht hätte es noch Jahre gedauert, das mobile Arbeiten zu implementieren.
Christine Sing

 

„Grundsätzlich haben wir schon die Intention, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder aus dem Homeoffice zurückzuholen“, sagt Harald Geisinger, Leiter Human Resources bei der Firma Pilz. Bereits vor Corona habe es die Möglichkeit gegeben, für eine gewisse Tagesanzahl im Monat mobil zu arbeiten. Dazu wolle man langfristig wieder zurückkehren. Mindestens bis 10. September wolle das Automationsunternehmen aus Ostfildern die Homeoffice-Pflicht allerdings noch aufrechterhalten. „Wir wollten unsere Mitarbeitenden nicht so kurzfristig vor die Problematik stellen, sich in der kommenden Ferienzeit um Kinderbetreuung kümmern zu müssen“, erklärt er.

Ähnlich begründet auch die Firma Eberspächer die eher langsamen Lockerungsschritte. Auch nach Corona soll mobiles Arbeiten vermehrt für die Mitarbeitenden möglich sein, sagt Anja Kaufer, Pressesprecherin des Esslinger Unternehmens.

„Die Pandemie ist eine große Chance, flexiblere Arbeitsmodelle einzuführen“, betont die Beraterin Sing. Mit dem Ende der Bundesnotbremse wird es auch bei Balluff in Neuhausen zunächst nur kleine Veränderungen geben. Beispielsweise bei Meetings, externen Besuchern, Dienstreisen oder im Betriebsrestaurant, erläutert Katrin Stegmaier-Hermle, Sprecherin der Geschäftsführung. „Wir sind uns sicher, dass eine Rückkehr in die Zeit vor Corona nicht zukunftsfähig ist“, sagt sie. „Wir möchten jetzt darüber nachdenken, wie wir künftig zusammenarbeiten möchten.“

Laut Sing sei dies ein positiver Wandel in der Arbeitswelt. Homeoffice sei zwar weder pauschal gut noch schlecht zu bewerten, aber „jede Person ist anders und genauso individuell sollten auch die Arbeitszeiten geregelt sein.“ Auf der anderen Seite können feste Strukturen und ein geregelter Tagesablauf Halt geben, sagt die Beraterin. „Wenn das Arbeiten von zu Hause zu einer Isolation des Menschen führt, ist das natürlich nicht förderlich.“ Für manche habe die Arbeit außerdem einen sehr hohen Stellenwert. „Sie definieren sich über ihre Leistungen im Job und brauchen den persönlichen Austausch und die Bestätigung im Büro.“ Für sie könne das mobile Arbeiten eine größere Herausforderung darstellen, erklärt Sing. Auch bei der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen arbeitet ein großer Teil der Belegschaft seit Beginn der Pandemie von Zuhause. Hier habe man jedoch von Anfang an darauf geachtet, dass Mitarbeitende, die allein leben, nicht von zu Hause arbeiten müssen, um Isolation zu vermeiden. „Ihnen wurden dann Einzelbüros zur Verfügung gestellt“, erklärt Odin Hug, der stellvertretende Pressesprecher.

Trotzdem empfehle das Bankunternehmen den Mitarbeitenden weiterhin zu Hause zu bleiben. „Das Arbeiten im Homeoffice hat in letzter Zeit so gut geklappt und wir haben so viele Erfolge gefeiert, wieso sollte es dann nicht auch in Zukunft eine Option sein“, sagt Hug. Auch Festo behält das mobile Arbeiten bei und wird es künftig in das Arbeitsleben integrieren. „Wir befassen uns intensiv mit der neuen Arbeitswelt nach Corona – dazu gehört auch, dass wir diese Arbeitsform weiterhin ermöglichen“, berichtet Frank Notz, Vorstand Human Resources bei dem Esslinger Unternehmen.