Zwischen Neckar und Alb
Honeckers Orden kommen doch unter den Hammer

Recht Der Staat macht im Streit um den Nachlass des Ex-DDR-Staatsratsvorsitzenden einen Rückzieher. Der Auktionator sieht sich trotzdem als Opfer. Von Thomas Schorradt

Im Streit um den bei einer Versteigerung in Kirchheim angebotenen Ordensschatz des ehemaligen Staatsratschefs der DDR, Erich Honecker, hat die Bundesrepublik Deutschland einen Rückzieher gemacht. Einen Tag vor dem Termin, an dem die Besitzansprüche des Bundes an der rund 100 Orden und Staatsgeschenke umfassenden Sammlung hätte verhandelt werden sollen, hat sich die klageführende Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) aus Chemnitz eines anderen besonnen. Der Kirchheimer Auktionator ­Andreas Thies, dem im Juli einen Tag vor der geplanten Versteigerung deren Durchführung per einstweilige Verfügung untersagt worden war, hat jetzt die wertvollen Auszeichnungen wieder. Er sieht sich aber trotzdem als Opfer.

Viele Kunden verschreckt

Schon die kurzfristig anberaumte Verfügung hätte viele potenzielle Bieter verschreckt. Dass nun die BImA erst kurz vor der Auktion erfahren haben will, dass Honeckers Nachlass in Kirchheim unter den Hammer kommt, will der Auktionator nicht so recht glauben. Der gewichtige Katalog sei schon Wochen zuvor an Kunden und Interessenten verschickt worden. „Mir lag unter anderem das Gebot eines Interessenten vor, der bereit gewesen wäre, eine Million Euro für die komplette Sammlung zu zahlen“, sagt Thies. In dem Nachlass, den Erich Honeckers Witwe ­Margot im Jahr 1993 erstmals auf dem freien Markt feilgeboten hatte und der zwischenzeitlich ein weiteres Mal den Besitzer gewechselt hat, befindet sich auch ein Säbel des irakischen Diktators Saddam Hussein. Herausragendes Stück ist der aus purem Gold gefertigte Orden „Held der DDR“, der lediglich 17 Mal verliehen worden ist. Ihm an materiellem und ideellem Wert kaum nach steht der Orden „Held der Sowjetunion“, der Honecker im Jahr 1982 vom damaligen Staatsoberhaupt der Sowjetunion, Leonid Breschnew, ans Revers geheftet worden war.

Hatte sich Thies schon von der einstweiligen Verfügung kurzfris­tig ausgebremst gesehen, so beraubt ihn nun seinen Worten zufolge die ebenfalls auf den letzten Drücker abgesagte Verhandlung der Möglichkeit, die Bundesrepublik Deutschland auf Schadensersatz zu verklagen. „Durch die Rücknahme der Verfügung gibt es ja kein richterliches Urteil, auf das ich meine Ansprüche hätte gründen können. Würde ich jetzt die Bundesrepublik auf Schadensersatz verklagen, wäre das sehr aufwendig und langwierig“, sagt der Auktionator.

BImA verteidigt ihr Vorgehen

Die in Chemnitz ansässige Bundesanstalt für Immobilienaufgaben sieht sich in beiden Fällen zu Unrecht angegriffen. „Die BImA erlangte seinerzeit erst kurz vor der geplanten Auktion Kenntnis von dieser. Da nicht auszuschließen war, dass es sich bei den Gegenständen, die zur Versteigerung anstehen, um ehemals volkseigenes Vermögen handelt, hat sie zur Wahrung der Eigentümerrechte und der Sicherung der Vermögenswerte des Bundes einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt“, heißt es in der Stellungnahme der Bundesanstalt. Die einstweilige Verfügung habe dazu gedient, die Sach- und Rechtslage zu klären.

Auch dafür, dass diese Sach- und Rechtslage nun doch nicht, sehr zum Bedauern von Thies, vor den Schranken eines Gerichts geklärt wurde, hat die BImA eine Erklärung. „Nach umfassender und abschließender Prüfung der Rechtslage hat die BImA ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgenommen“, heißt es. Ausschlaggebend war sicherlich auch die Tatsache, dass das gesamte Konvolut schon zwei Mal auf dem freien Markt angeboten und auch verkauft worden war.

Dem Kirchheimer Auktionator, der seit rund 35 Jahren im Geschäft ist, bleibt ein Trost. „Ich habe mich akribisch auf die Verhandlung vorbereitet und sogar Zeitzeugen aufgetrieben, die an den jeweiligen Verkäufen der Sammlung beteiligt waren. Wer jetzt die Orden und die Staatsgeschenke ersteigert, kann sich nun auf eine lückenlose Dokumentation ihrer Herkunft stützen“, sagt er. Wie viel das Vorpreschen der Bundesanstalt den Steuerzahler kostet, will die Chemnitzer Bundesanstalt auf Nachfrage nicht sagen. „Die BImA hat im vorliegenden Fall die Rechte des Bundes wahrgenommen. Der Bund ist von der Zahlung der Gerichtskosten befreit. Die mit dem den Bund vertretenden Rechtsanwalt geschlossenen Honorarvereinbarungen unterliegen der Vertraulichkeit“, heißt es dort.

Andreas Thies hat die Ordenssammlung, die vom Amtsgericht Kirchheim beschlagnahmt worden war, inzwischen wieder in seine Obhut genommen. Er will jetzt sowohl mit dem Interessenten Kontakt aufnehmen, der das Millionengebot abgegeben hat, als auch mit den Bietern, die damals unter Vorbehalt auf einzelne Pos­ten geboten hatten. „Derzeit sieht es danach aus, als würden die damaligen Gebote mit wenigen Ausnahmen auch honoriert werden“, sagt er.